Ich sitze gerade neben dem "auf Lautsprecher" gestellten Telefon um eine Behörde zu erreichen. Aller 4 Minuten schrecke ich auf, da das gleichmäßige Ertönen des Ruftons von einer lauten Stimme unterbrochen wird, die mir mitteilet, dass der gewünschte Gesprächspartner nicht erreichbar ist. In der Nacht ging ich durch verschiedene Treppenhäuser, glaubte eine Zahnlücke oder einen Goldzahn zu haben, aber auch in einen Mord verwickelt zu sein. Denn ich fühlte mich getrieben und rief durch das Treppenhaus jemand anderem, einer Komplizin oder einem Komplizen etwas zu.
Jetzt wird mir gerade bewusst, dass das mit dem Film "Nur die Sonne war Zeuge", den ich mir gestern ansah zu tun gehabt haben könnte. Da tötete die Hauptfigur Tom jemanden durch gezielten Schlag auf den Nacken mit einer Buddhastatue jemanden und schleppte ihn dann durch ein wunderschönes römisches Treppenhaus. Der Mord war ein Folgemord, denn "Tom" tötete davor schon jemanden, für den er sich dann ausgab. Eine unglückliche Verkettung von Umständen, am Ende aber selber Schuld.
Ich schaute den Film auf dem Sender arte, der, wie ich im Gespräch mit anderen Menschen feststellte, ein merkwürdiges Spiel mit seinen Zuschauern treibt. Hierzu muss ich aber einen Schritt in der Zeit zurück gehen und die Arme etwas weiter ausbreiten.
Es war im Jahr 2002 als Arte ins völkische Wohnzimmer sendete. Manchmal zappte ich mich durch die Programme und stieß auf interessante verstörende "Kunstfilme". Einmal nahm ich sogar einen Ausschnitt aus einem solchen auf ein Mixtape auf, dass ich für jemanden anfertigte. In der Zeit empfand ich es für "revolutionär", wie auf dem Sender Arte mit Animationen umgegangen wurde. Zur Erinnerung: in der damaligen Zeit waren Trick-Animationen zur Erklärung von Sachverhalten meines Wissens nach dem Wetterbericht oder Statistiken und der "Sendung mit der Maus", auf die ich gleich nochmal zurück kommen werde, vorbehalten.
Bei Arte fanden diese Einzug in diverse Sendungen. Da wurde zum Beispiel erklärt, was ein französischen Bäcker von einem deutschen unterscheidet. Verallgemeinert gesagt, experimentierte arte mit alternativen und spielerischen Formen der Visualisierung im Fernsehen. Das war toll.
Ich schaue nicht so wenig Fernsehen und auch nicht so wenig Arte, ich mag es mich berieseln zu lassen und meine Entscheidungsfindung darauf zu Beschränken, aus dem akutell laufenden Programm von ca. 20 Sendern auszuwählen, anstatt im Internet aus allem was es jemals gab auswählen zu müssen.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir an dieser Stelle eine Beobachtung. Es scheint mir so, als würde ich als Zuschauer bei Arte entweder behandelt, wie ein Vierjähriger, dem etwas anhand von Trickfilmanimationen und einer Erklärstimme, die einen Duktus hat, der einem Kindererklärfilm oder der "Sendung mit der Maus" entstammt, erklärt wird. Oder mir das Gefühl vermittelt wird, ich gehöre zu den Connaiseuren der Cineastique, weil im Abendprogramm nur ausgewählte Arbeiten gehobener europäischer Filmkunst gezeigt werden.
Ich weiß, das ist eine subjektive Wahrnehmung und sagt mehr über mich aus, als den Sender. Das interessante aber und das meinte ich vorhin, als ich davon sprach, die Arme etwas weiter ausbreiten zu müssen, ist, dass inzwischen auch andere Sender auf die Technik der Trickfilm-Animationen zurückgreifen. Von einfachen Erklärungen ganz abgesehen. Und das beunruhigt mich inzwischen. Ich denke nämlich, dass Fernsehen nicht davon ausgehen muss, dass die Zuschauer nur ihr vierjähriges Ich angetriggert haben wollen. Aber am Ende geht es doch nur wieder darum, Quote zu machen und da wird eben auf die niedersten Instinkte gesetzt.
Ich bitte euch hierzu auch noch einmal euch diesen Beitrag von Kristof Schlingensief in der Talksendung 3nach9 bei Minute 10:55! zu Gemüte zu führen:
Dann habe ich aber doch lieber die Wahl mich einem ehrlichen Trash-TV auszusetzen, als bei Arte zwischen zwei Welten hin und her geschoben zu werden. An dieser Stelle sei aber auch zum wiederholten Male angemerkt, dass ein Sender wie RTL II meiner Meinung nach einen hohen Beitrag zur Allgemeinbildung, Selbsterkenntnis und Verbindung zwischen verschiedenen Schichten leistet. Denn alle schauen diesen Sender. Und ziehen ihre Schlüsse.
Ich zum Beispiel schaue "Die Wollnys" oder "Die Geißens" und schäme mich für mich selbst, weil ich mich in einer Mischung aus Neid und Überheblichkeit als besser fühle und denke darüber nach. Andere nehmen vielleicht ein gutes Rezept für die nächsten Familienfeier oder einen Styletipp mit.
Das Fernsehen nicht nur infantil sein kann, konnte ich dadurch erkennen, dass ein Sender wie Alpha Fernsehbeiträge aus vergangenen Zeiten zeigt. Selbst die Tagesschau von 2002 wirkte extrem seriös. Nebenbei bemerkt fiel mir beim Betrachten jener Sendung auf, dass die Krisendichte damals auch nicht geringer war. Aber ich will nicht klagen. Es ist ja nur TV. Am Ende bleibt auch immer noch Phoenix, NTV oder Welt, die mich verlässlich mit einer Nazi-Doku versorgen, zu der ich in die Traumwelt herüberschlummern kann.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang auch immer wieder sehr gern an einen Sonntag Morgen, als ich auf Übernachtungsbesuch bei einem Freund war und uns dessen Vater im Wohnzimmer bei einem Glas Wein den Verlauf des gesamten zweiten Weltkriegs erzählte, während wir auf die Sendung mit der Maus warteten. Die auch er immer sehr gern sah. Das innere Kind gab es also auch schon früher.
TV
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