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Es werden Posts vom Oktober, 2023 angezeigt.

Laubbläsergesang/Blauberrygestank

Der Klavierhocker auf dem ich saß, gab beim Drehen den Ruf einer Graugans von sich. Als ich ein paar Tage später durch den heimischen Wald fuhr, hörte ich durch das lichter werdende Blätterdach die echten Gänse rufen, verglich die Imitation mit dem Original, freute mich über die Ähnlichkeit und wusste, nun ist wieder Herbst. Zwischendurch schlich ich durch eine große Stadt und spürte meine eigene finanzielle Schwäche, weil dort das Treiben nach Geschäftigkeit und Produktivität ausgerichtet war und auch die Menschen gepflegt wirkten und ihr Erscheinungsbild nach Erfolg aussehen lassen wollten. Dabei ist natürlich zu erahnen, dass die meisten von ihnen buckeln müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Das glaube ich hinter den lächelnden Gesichtern zu sehen, die dem Versprechen des Erfolgs hinterher jagen. Und an jeder Ecke ein Konsum-Angebot, Kaffee, schöne Textilien. Hier geht es einfach darum, Leistung zu bringen und sich dafür auch zu belohnen.  Ganz anders als hier, also dort,

Grantstein/Zartfels

Wir stehen in einem dunklen Flur und unterhalten uns über das krisenvolle Weltgeschehen. Aus einer der vielen Türen tritt Wladimir Putin mit einen schwarzen Anzug bekleidet. Er ist hier ein Diener, sagte mein Gesprächspartner und boxte Putin spielerisch in die Seite. Dieser kicherte hörig und sagte etwas, wie „Gewiss mein Herr, man tut was man kann“ - ich denke darüber nach welche Despoten dort vorn hinter der verschlossenen Küchentür mit den beschlagenen Scheiben zusammensitzen, wenn ein Tyrann wie Putin hier nur ihr Diener ist. Ich äußere diese Gedanken nicht und teile den beiden stattdessen mit, dass wir doch auf den Balkon gehen könnten, um noch einmal die Abendsonne zu genießen - denn die Raketen sind doch fast unterwegs und die Bomben bereits ausgeklinkt. Während wir in den Himmel blicken, ertönen auch schon die Sirenen. Putin gibt ein unsicheres Stöhnen von sich und ich sehe die Kondenstreifen der Lenkflugkörper vor der roten Sonne und höre das Donnern der Bombertriebwerke. TV

Keine Vogelkinder/Schreien immer

Notiz in eigener Sache: Am 4.11. erscheint mein Buch "Die Schwerkraft provozieren" im Gansverlag Berlin. Eine Sammlung von Texten aus den letzten drei Jahren. Roadtrips, Klaggesänge und viele Traumnotizen. Martina Hefter schreibt in ihrem Nachwort:  Timm Völkers Texte sind eigentlich Abenteuererzählungen. Man weiß nie, wo man hingeführt wird, auf ein Hausdach, in den Park, in einen Traum. In neue Erkenntnis definitiv. Das Buch ist überall erhältlich. Ordert es am besten in eurem Local-Bookstore. Die brauchen Support! ---- Aus Träumen erwacht in denen ich einem Song auf einem Festival zuhörte, der Deichkind-Anmutung hatte. Also mit einem Beat, elektronischem Charakter und pointenreichen Strophen, an die ich mich natürlich nicht erinnern kann. Nur der Refrain blieb mir noch in Fetzen erhalten: "Irgendwann reicht's/Jetzt muss etwas passieren"...schon im Traum dachte ich, dass ich mir den unbedingt merken muss, aber das Tageslicht wischte alles weg. Nichtsdestotrot

Richt/Poop Culture

Ich habe mir die Kante gegeben, um am nächsten Tag dabei sein zu können, als ich wieder ein normaler Mensch wurde. Raus aus dem zittrigen Taumel, die Bisswunde am Oberarm wiederentdeckt, dann betastet und das menschliche Zahnmuster in den Blutergüssen gefunden. So scheint es mir, das der Zweck des Exzesses doch mindestens zum Teil darin liegt, eine Rückkehr ins normale Zustände der Wahrnehmung und körperlicher Tüchtigkeit aktiv mitzubekommen. Und dann frage ich: Mit welchen Recht? Mit welchem Recht nehme ich mir solche Freiheiten heraus, während andere sterben oder arbeiten? Das ist der gute alte Wille zur Selbstbeschädigung.  Der treibt auch die Nacktschnecken, deren Haut gemustert ist, wie die eines Leoparden auf die mit LED-Licht erhellte Steinveranda, auf der ich nach einem Konzert verweile. Nach und nach kommen Gäste aus dem Konzertraum und zünden sich Zigaretten an, selbstgedrehte und industrielle. Ich schaue auf die in Sandalen steckenden gepflegten Füße einer Frau. Sie tritt im

Vulkanisieren/Inhalieren

Ich betrachte die Männer auf den Straßen, insbesondere die Familienväter und insbesondere dann jene, die so friedlich aussehen: Jogagefestigt, freundlicher Blick, weite Kleidung, ruhig sprechend und fürsorglich umgehend mit ihren Kindern, von denen viele längeres Haar haben und frei und glücklich umherschwirren. Ich betrachte diese Familienväter während sie mir auf einem engen Fußweg entgegenkommen und überlege mir, wie sie sich in einer Kriegssituation verhalten würden. Würden sie sich sofort ergeben und gar nicht erst kämpfen oder würden genau diese Menschen moralisch legitimiert durch die Aufgabe der Verteidigung ihrer Familien zu den barbarischsten Taten fähig sein? Mit verkrampften Kiefern, dreckverschmiert und unterdrückte Schreie abgebend würden sie auf andere Menschen schießen oder einschlagen, mit bloßen Händen töten, in dem Glauben, das richtige zu tun, weil sie auf der richtigen Seite stehen.  Und genau das ist es ja, was den Krieg ausmacht: Er hält alle in dem Glauben, dass