Ich schritt durch die Nacht um mir Kühlung zu verschaffen und kam an einem Ladengeschäft vorbei. Hier war mal eine Tätowierstube ansässig. Das erkannte ich an dem Schriftzug, der auf der Scheibe zu sehen war. Dahinter: nichts. Die Scheibe selbst: sehr schmutzig. Warum lassen Ladenbesitzer ihre Logos, Leuchtschriften oder Schilder so oft hängen, wenn sie ihre Geschäfte verlassen oder auch verlassen müssen? Möglich ist, dass sie es als Markierung ansehen, um zu zeigen, hier war ich. Ich hab es versucht. Eine andere Variante ist, dass sie im Eifer der Räumung keine Zeit mehr hatten, das Schild zu lösen, da es beim Einzug richtig fest ins Mauerwerk gesetzt wurde oder die Schrauben die Muttern und Gewinde inzwischen so verrostet sind, dass sie sich nicht mehr schnell genug lösen ließen, bevor der Miettransporter wieder abgegeben werden musste. Beim Einsteigen, vor sich die Cola-Derivats-Flasche oder auch Sprudelwasser im grauen Handschuhfach (die Sitze sind auch grau, alles ist grau in Transportern, da sie meist in der Basisausstattung angeboten werden) oder der dafür vorgesehenen Haltung neben der Zigaretten, dreht sich die Besitzerin oder der Besitzer nochmal um, bevor es mit dem Inventar ins Lager geht oder zu einer Verkaufshalle. Und so komme ich zur letzten Variante, warum das Schild oder Logo bleiben könnte, obwohl das Geschäft schon längst aufgegeben ist: Melancholie. Besitzerin oder Besitzer bringt es nicht übers Herz, das Schild, als letzten Rest eines Traums von Selbstverwirklichung abzunehmen, um sich vielleicht doch noch ein Stück Stolz zu bewahren. Und so wird das Schild zu dem was es ist und schon immer war: Ein Symbol. Das wären jedenfalls die drei Varianten die ich erwägen würde, wenn ich in so einer Geschäftsituation wäre. Da ich aber nach wie vor den Blumenladen mit Getränkeverkauf und sprechendem Papagei nicht eröffnen werde, gehe ich Abends durch die Straßen und schaue durch die Fenster leerer Ladengeschäfte in mein eigenes Gesicht.
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