Direkt zum Hauptbereich

Pandemonia 99 - Hauch von Halogen

Ich schritt durch die Nacht um mir Kühlung zu verschaffen und kam an einem Ladengeschäft vorbei. Hier war mal eine Tätowierstube ansässig. Das erkannte ich an dem Schriftzug, der auf der Scheibe zu sehen war. Dahinter: nichts. Die Scheibe selbst: sehr schmutzig. Warum lassen Ladenbesitzer ihre Logos, Leuchtschriften oder Schilder so oft hängen, wenn sie ihre Geschäfte verlassen oder auch verlassen müssen? Möglich ist, dass sie es als Markierung ansehen, um zu zeigen, hier war ich. Ich hab es versucht. Eine andere Variante ist, dass sie im Eifer der Räumung keine Zeit mehr hatten, das Schild zu lösen, da es beim Einzug richtig fest ins Mauerwerk gesetzt wurde oder die Schrauben die Muttern und Gewinde inzwischen so verrostet sind, dass sie sich nicht mehr schnell genug lösen ließen, bevor der Miettransporter wieder abgegeben werden musste. Beim Einsteigen, vor sich die Cola-Derivats-Flasche oder auch Sprudelwasser im grauen Handschuhfach (die Sitze sind auch grau, alles ist grau in Transportern, da sie meist in der Basisausstattung angeboten werden) oder der dafür vorgesehenen Haltung neben der Zigaretten, dreht sich die Besitzerin oder der Besitzer nochmal um, bevor es mit dem Inventar ins Lager geht oder zu einer Verkaufshalle. Und so komme ich zur letzten Variante, warum das Schild oder Logo bleiben könnte, obwohl das Geschäft schon längst aufgegeben ist: Melancholie. Besitzerin oder Besitzer bringt es nicht übers Herz, das Schild, als letzten Rest eines Traums von Selbstverwirklichung abzunehmen, um sich vielleicht doch noch ein Stück Stolz zu bewahren. Und so wird das Schild zu dem was es ist und schon immer war: Ein Symbol. Das wären jedenfalls die drei Varianten die ich erwägen würde, wenn ich in so einer Geschäftsituation wäre. Da ich aber nach wie vor den Blumenladen mit Getränkeverkauf und sprechendem Papagei nicht eröffnen werde, gehe ich Abends durch die Straßen und schaue durch die Fenster leerer Ladengeschäfte in mein eigenes Gesicht.

TV

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dior Straits / At the gates

Als Soundtrack zu diesem Eintrag abspielbar: Im Traum alles voller Verlustängste: Naheste Menschen aus verschiedenen Zeiten vermischen sich zu einer Person und sind nicht erreichbar für mich. Typischerweise am Telefon. Rufton, Automatische Mailbox. So oft anrufen, bis die Mailboxstimme vertraut wird und die Vision entsteht, das sei die zu erreichende Person. Herumirren in einem schmalen Zimmer und immer wieder zwei Bettdecken aufschütteln von denen eine blaugelb gemustert ist und gar nicht mir gehört sondern aus einer WG stammt, die doch gar nicht in der Stadt ist. Wurde ich verstoßen und in der Fremde aufgenommen?  Ich rede mit den WGlern, dass ich die Flure und Wände gar nicht so dunkel getüncht und unrenoviert in Erinnerung habe, es aber mag. Das Haus sieht von außen nämlich ganz anders aus. Hell und neu mit ganz geraden Fensterfronten und elektrisch verstellbaren Sonnenschutzrollos außen dran. Die WGler wirken peinlich berührt und meinen, es gäbe hier gar keine dunklen Flure. Es sc

Garaus/Windrinde

Ein Wildschwein rennt durch die Straßen. Es hat auf seinem Rücken langes Fell, dass mindestens genauso hoch wie es selbst nach oben aufgestellt ist, eigentlich so aussieht, als sei es geföhnt und an den Kanten ganz sauber geschoren und in die Form eines Quaders gebracht. Das Schwein wird von Hunden gejagt und der Fellquader auf seinem Rücken verwandelt sich in einen weiteren Hund. Die Menschen dort greifen nicht ein. Ich bemerke, dass ich meine eigene Hand halte. Ich bin nicht verängstigt, versoffen oder verzweifelt, erinnere mich aber an Momente, in denen ich in solchen Zuständen erwachte und mir selbst versuchte durch sanftes reiben der Oberarme Halt zu geben, mir selbst die Hand hielt, um nicht allein zu sein mit der Übelkeit und den pergamentenen Zuständen, in denen sich Körper und Geist nach Feierein befinden.  Aber schon Baron Münchausen wusste, dass er sich und sein Pferd nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen konnte und auch ich bin mir klar, dass mein Mir-Selbst-Die-

Abag/Zetapak

Was für ein Tod wäre das gewesen: Pseudo-Rebell-Rocker überfahren von einem Sixpack - ich wollte eine Straße mit dem Fahrrad queren, die ich mindestens drei mal in der Woche vor mir habe. Seit einem Unfall ohne Verletzungen, aber mit erheblichem Sachschaden und Schock meinerseits, weil der Besitzer, des zerstörten Fahrzeugs (Unterboden pfutsch oder futsch?) zu mir meinte, "Ich solle nach Russland abhauen oder mir gleich einen Strick nehmen." , schaue ich lieber zweimal nach rechts und links und warte, bis die Autos vorbeigezogen sind, auch wenn sie noch ein gutes Stück von der Position entfernt sind, an der ich am Rand der Straße warte.  So stand ich auch diesmal wartend auf die sehr kurze Grünphase der Ampel an besagter Straße. Diese Phase ist so kurz, dass man es gerade mit dem Fahrrad herüber schafft, bevor das grüne Männchen wieder rot wird. Früher regte ich mich darüber auf, aber inzwischen gehe ich entspannter damit um, denn es ist eine sogenannte Bedarfsampel, dass b