In der linken Hand hielt ich ein Mikrofon, mit der anderen Hand griff ich in das Gesicht einer Person, als wäre es ein Basketball. Ich war nie ein guter Basketballspieler, um genauer zu sein, waren meine Leistungen im Basketballkurs so schlecht, dass ich deswegen fast von der Schule geflogen wäre. Dann standen ich an der Straßenecke und wartete auf ein Taxi, das meine Begleitung und mich zu einer Feier bringen sollte. In mir entstand kurz davor das Verlangen mit dem Taxi durch die Stadt zu fahren, den Luxus zu erfahren, sich nur kurz auf einer Veranstaltung sehen zu lassen und dann wieder zu verschwinden. Unsere Outfits entsprachen zwar nicht denen, die schon von Weitem deutlich machen würden, dass wir uns ständig mit Taxis auf Parties fahren ließen, aber diese äußerlichen Orientierungsmarker sind doch längst überholt.
Als das Taxi dann kam, stiegen wir ein - doch bevor es losfahren konnte, wurde es durch ein anderes ausgebremst. Die Fahrerin stieg aus und wies daraufhin, dass ich ihr Taxi bestellt hätte. Ich bat um Entschuldigung, wir wechselten in ihr Fahrzeug und schauten auf nach oben auf den Himmel des Autos. So nennt man die Innenseite des Daches, die bei den meisten Fahrzeugen mit Stoff bespannt ist. Gerade im Kofferraumbereich ist mir dieser Himmel sehr vertraut, denn beim Verstauen von viel zu viel Ausrüstung in viel zu kleinen Wagen von Bekannten oder Leihfirmen fiel schon öfter der Satz: "Bitte pass auf, dass du mit dem Gitarrenkoffer nicht den Himmel schmutzig machst." Im Taxi aber war der Himmel mit Sternen gespickt - ungefähr 500 kleine Leds pulsierten über mir und während die Fahrerin sich in freundlicher aber bestimmter Art darüber echauffierte, dass sie mir extra ihr Nummernschild gesagt habe und den Typ ihres Autos, damit ich nicht ins falsche Taxi steige, schaute ich wie paralysiert in die LED-Sterne und wiederholte in Schleifen: "Ich bitte um Entschuldigung."
Dann stiegen wir aus und betraten eine überfüllte Bar über die Seitentür. Und es schien mir, als sei alles wie immer: Laute, nicht gerade gute Musik aus einer nicht sehr guten Anlage, viele junge und junggebliebene Leute die sich rhythmisch zu diesen Klängen bewegten. Vor der Bar das meiste Gedränge, rechts davon ein paar wenige, elitär wirkende, die sich konspirativ unterhielten. Hinter dem Tanzflur dann die Toilettenräume - in denen ich mich mehrmals zum Wasserlassen aufhielt, wenn ich nicht mit meiner Begleitung an der Bar lehnte und den Beitritt in eine Partei erwog.
In diesem Toilettenräumen nutzte ich das Pissoir. Nur eins von zweien war benutzbar, weil das andere bis zum Rand mit einer Mischung aus Wasser und Erbrochenem gefüllt war. Da das Klo immer recht gut besucht und ich irgendwie kommunikativ drauf war, sprach ich die anderen Menschen dort darauf an und stellte fest, dass wir hier in einer Gesellschaft leben, in der es uns sehr gut geht. Denn warum sonst, sollten wir es uns leisten können, etwas zu essen und danach so viel zu trinken, dass wir das Gegessene halbverdaut wieder auskotzen könnten ohne den Hunger zu fürchten, weil genügend Nahrung vorhanden ist?
Die beiden jungen Männer, die meinen Worten lauschten, waren nicht verwirrt, sondern stimmten mir lachend zu. Einer der beiden meinte, dass es sich bei dem, was da im Wasser schwamm um Trüffelpasta handelte. Ihre Zustimmung erkennend, ging ich einen Schritt weiter und meinte, dass es wohl irgendwann so weit sein wird, dass Menschen in ihrer Verzweiflung das erbrochene Essen anderer aus Pissoirs löffeln werden, um ihren Hunger zu stillen. Vielleicht sogar, ist das in anderen Ländern bereits der Fall - irgendwo in finsteren Touristenburgen, wo es warm ist.
Ich betätigte die Spülung, ging zurück zur Bar und verkündete, dass die Stunde, die wir hier verbringen wollten rum sei und ich jetzt ein Taxi rufen werde. Dieses brachte uns dann zurück an den Stadtrand aus dem wir kamen, ich stieg als erster aus und ging noch mit weit überstrecktem Kopf ein Stück übers offene Feld auf der Suche nach echten Sternen am bereits grauenden Himmel.
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