Wir liefen eine kurvige Landstraße entlang, bestimmt nördliches Sachsen-Anhalt oder Saalekreis. Die Gegend war von Feldern dominiert und ein bisschen hügelig. Der Asphalt wurde vor ein paar Jahren neu gemacht, so dass die Sommersonne noch nicht lang genug darauf geschienen hat, um das Material zu erodieren und im Winter das Wasser eindringen konnte, um zu gefrieren und Risse im Boden zu erzeugen. Nur die Fahrbahnmarkierungen waren schon etwas verblichen und schmutzig. von den Reifen der Traktoren, die häufig über die Kante, wo die Straße aufhört, das Gras aber noch nicht beginnt, rollen und durch ihr Rollen diesen Zwischenzone über die Jahre immer breiter machen.
Das Wetter war gut und wir waren frei in unserem Trott, unterwegs um unterwegs zu sein. Und da kam auf einem Moped, einer Simson S51, Bob Dylan von hinten angefahren. Auf unserer Höhe verlangsamte er seine Geschwindigkeit, schaute nach rechts zu uns, rief meinen Namen und raunte über das Knattern des 50ccm Motors hinweg: "He who builds a house out of chisels...und chisels, dass sind Kiesel. Also, wer ein Haus aus Kieseln baut, ist der, der meist am längsten braucht." Und dann fuhr er mit dem den Mopeds eigenem Sägegeräusch weiter und löste sich zwischen den Hügeln und dem Horizont auf. Ich hatte lange Zeit Angst, dass er bei einer Begegnung mit mir unfreundlich sein würde und war deshalb erleichtert, dass er wie ein Bikerpfarrer einfach nur eine kleine Weisheit rausgehauen hat. Sonst haben solche Musiker, wenn sie mal auftauchen meistens irgendwas an mir zu meckern.
Ein Haus aus Kieseln bauen, dass kann wirklich dauern, dachte ich. Und fragte mich, ob er damit meinte, ich solle genau jetzt, also hier, die Kiesel am Straßenrand zusammensammeln und Stück für Stück die Mauern meines Hauses errichten. Also seinen Befehl, sein Gebot direkt ausführen. Ich hatte vor ein paar Jahren, als ich tagsüber für ein paar Minuten die Augen schloss plötzlich die ganz klare Vision einer zweistöckigen einfachen länglichen Holzhütte in der ich leben würde. Drum herum ein paar Felder, aber ich wäre kein Landwirt sondern würde dort Musik machen. Ich stand im Moment der Vision in der zweiten Etage und da war nur ein Fenster auf der linken Seite, es war recht dunkel und das Dach schien dicht zu sein, denn ich nahm keine Sonnenstrahlen von draußen war, die durch irgendwelche Ritzen drangen, was schön ausgesehen hätte, so lange die Sonne schien, aber zum Problem geworden wäre, wenn es regnen würde.
Weiter hinten in dem ca. vier mal zehn Meter großem Raum sah ich einen Holzhocker stehen und wusste, hier könnte ich einen Verstärker hinstellen und ein Drumset, den ganzen Kram eben und dann würde ich Musik machen, vielleicht allein oder manchmal würde ich auch Leute einladen oder sie kämen so vorbei. Es wäre eine freie Musik, eine ländliche Musik, eine amerikanische, ein Rock, zumindest am Anfang und sie würde sich langsam modernisieren und langsam würde ich beginnen zu rappen und verschiedene Stimmen zu haben und die Sounds werden futuristischer und alles vermischt sich...und als ich hinter meinen geschlossenen Augen diese Mittagsvision verfolgte, war ich zum ersten Mal seit ganz langer Zeit durchströmt von einer Zufriedenheit und Ruhe.
War es also diese Hütte, an die mich Moped-Dylan erinnerte. Erinnerte er mich daran, dass ich dran bleiben soll an meiner Vision? Hatte er also doch was zu beanstanden an meiner Lebensführung? Als würde er sagen wollen: "Jeder braucht eine Hütte, braucht einen Ort, der seiner ist. Und wenn sie aus Kieseln gebaut werden muss, dann sei es so. Also los!"
Wobei ich auch schon vorhin dachte, als er von den Chisels, den Kieseln sprach, dass doch jeglicher mittelstarke Wind dieses Kieselhaus, wenn es noch nicht einmal als solches zu erkennen ist, also vielleicht nur der Beginn einer Mauer ist, sofort umwehen würde. Da wäre es vielleicht einfacher mich auf die Größe einer Grille zu schrumpfen, in der schon ein Kiesel die Höhe einer Mauer hat. Meine Ameisenfreunde würden mir dann vielleicht helfen, vier Kiesel in einem Quadrat anzuordnen und einen oben drauf zu hieven. Das wäre dann auch ein Haus. Und ich würde für sie spielen. Eine freie Grillenmusik.
Und ein paar Jahre später kommt Bob Dylan nochmal vorbei geknattert und sieht die kleine Hütte. Er hält an, weil er glaubt, Musik zu hören und das stimmt, denn sein Gehör ist sehr gut. Dann macht er den Motor aus, nickt wissend im Takt und grinst, hört eine Weile zu und macht später an diesem Tag in seiner Hütte ein Lied daraus.
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Hast du Dylon wirklich getroffen? Das Bild mit den Steinen ist schön...! Bussi, Sebastian
AntwortenLöschenEr ist vorbei gefahren, dort wo ich war.
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