Im Traum drückt mich ein Youtube-Gitarrenlehrmeister von hinten auf das Bett und sagt mir leise ins Ohr, ich bräuchte ihn und die Band mit der er gerade in meinem Kinderzimmer übt, nur damit ich faul sein kann und sie mir den Rücken stärken. Sie wiederum riskieren was und haben niemanden, der ihnen gut zuredet und das mache den Unterschied aus. Die ganze Zeit schon bin ich den Tränen nahe und spüre nun das Gewicht seines Körpers auf meinem, wünsche mir doch nur ein paar unterstützende Worte, aber von ihm kommt nur die gnadenlose kalte und richtige Feststellung, dass ich mich zu wenig anstrenge und stattdessen ihre Probe sabotiere.
Dann wache ich auf, es ist wieder so ein Moment, wo jeder Gedanke Angst macht: die Möglichkeit eines Atomkriegs (diesmal realer als die Angst vor den rostenden Atomubooten in Russland als ich 9 Jahre alt war)...oder die Frage, wie das System in diesem Land funktioniert, bzw. wie lange der Luxus so noch weiter gehen kann oder auch die einfachste aller Fragen: "Was mache ich hier eigentlich?". Es ist die Zeit zwischen 3 und 4 Uhr Nachts (die Zeit der Dämonen und Satans, denn es ist diejenige die am weitesten entfernt ist von 3 Uhr nachmittags zu der wiederum Jesus aus der Höhle auferstanden ist).
Es ist auch die Zeit in der Schichtwechsel zwischen Nacht und Dämmer ist. Die Nacht und die Dunkelheit, so beobachte ich es schon seit ich Kind bin, besteht aus ganz vielen kleinen schwarzen Punkten, die am frühen Morgen immer kleiner werden und sich dann langsam auflösen. Aber zwischen 3 und 4 sind sie sehr gut zu sehen und sie vermischen sich mit der aufkommenden Helligkeit zu einem flimmernden gestörten Fernsehbild (aka Ameisenkrieg, Schneesturm). Was tagsüber normale Gestalt hat, wirkt dann bedrohlich formlos und fremd...und die Gedanken haben mehr Platz zu strudeln. Die Klänge der Stadt nehmen langsam Fahrt auf, die Straßenbahn auf den rumpelnden Gleisen, die DHL Flugzeuge im Landeanflug oder beim Aufstieg auf die Reiseflughöhe, in ihren Rümpfen Kartons voller Nackenkissen unterschiedlicher Qualitäten und zwei Kartons mit Katzenfutter sind auch dabei. So vergeht dann Wachzeit und irgendwann treibe ich noch einmal hinüber in den Schlaf, wo mir dann aber besagter Gitarrenmeister begegnete.
Ich glaube mich in einer Zeit der Veränderung, zyklische Veränderung - laufe den Feldweg entlang, mein linker Schuh aus schwarzem Stoff mit Strohsohle (Nachbar Leo nennt solche Schuhe Espis) wird von meinem zu scharf geschnittenen Nagel des großen Zehs langsam aufgeschlitzt, ich beobachte das Schauspiel. Irgendwo dahinten wieder eine der Kreuzungen, wo ich weiter geradeaus gehen kann oder abbiegen oder vielleicht sogar ein Stück zurück. Die Kreuzung ist umgeben von staubigen Agrarflächen in Sachsen-Anhalt oder befindet sich irgendwo im Süden der Tschechei oder New Orleans. Steht da jemand unter dem Baum und wird mir einen Deal anbieten? Robert Johnson oder der Geist von Detlev Rohwedder. Der eine will meine Zunge, der andere meine Haare, dafür kriege ich dann irgendeine Weisheit ins Gehirn gedrückt - "Nimm die Schippe halb so voll, wenn die Arbeit reichen soll." oder sowas. Wenn das der Gitarrenlehrer hören würde, er würde wieder böse flüstern, ich solle einfach gehen, abhauen, verschwinden...
Ich fürchte diesen Gitarrenlehrer und liebe die Zeit der Dämonen gegen 3 Uhr.
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