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Katzenkuchen/Weidenturm

In der Nacht habe ich ein Gewicht auf mir gespürt. So als würde ein Wesen sich auf mich legen. Im Halbschlaf frage ich mit schwerer Zunge und schwacher Stimme: "Wer bist du?" und noch einmal "Wer bist du?" und eine tiefe Stimme spricht von hinten, schwer verständlich zu mir: "Ich bin Siris". Dann bin ich wach und irgendwie geschockt - aber da ist es auch schon wieder vorbei. Nur etwas Angst und Anspannung bleibt und der Gedanke, dass sich hier unter dem Dach unter dem ich schlafe vielleicht alle Toten sammeln, die in diesem Haus starben. Und aus meiner Erinnerung fällt eine Situation in meine Wirklichkeit, mit der ich mich lange nicht beschäftigt habe:

Als Kind fing ich irgendwann an, draußen zu spielen oder ich wurde aufgefordert doch nicht immer nur in meinem Zimmer zu hocken. Es muss in einem Frühling gewesen sein, die Luft wurde langsam wärmer und der Geruch von Dünger und einem Hauch verbrannten Laubs und aufgewirbelten Staub zog mir in die Nase, als die holzige Haustür hinter mir zufiel. Ich trieb mich in einem ehemaligen Kur- und Solebad nicht weit von der Wohnung meiner Eltern entfernt herum. Die zugenagelten alten Gebäude waren von einer Parkanlage umgeben und zwischen den zum Zoo gehörigen Rentier- und Steinbockgehegen mit ihren Salzblöcken auf hohen Pfählen und der Anlage waren Büsche gepflanzt in denen ich mir ein Lager errichtete. Ich saß dort herum, bog die flexiblen Äste zusammen, wollte einen Kuppelbau erzeugen und stellte mir vor, wie das aussehen würde, wenn die Büsche bald Blätter tragen würden und ich im Schatten darunter sitzen könnte. Darauf wartete ich, stocherte im trockenen Boden in der Hoffnung auf Knochen oder Münzen zu stoßen, sah Käfer und anderes Getier mit eingestaubten Körpern herumlaufen und winzige Spuren hinterlassen. 

Nach ein paar Tagen bewegte ich mich etwas weiter in die Kuranlage hinein. Rechts von dem Bereich, in dem ich mich aufhielt, lag hinter einer ehemals weißen, jetzt sehr rostigen Schranke ein großer Platz an dessen anderen Ende ein hohes baufälliges Gebäude stand. Hier wurde sicher früher Theater gespielt oder Konzerte abgehalten zur Ermunterung der Kurgäste, die hier ihre Tuberkulose oder Keuchhusten oder Giftgasverätzungen aus dem Fronteinsatz kurierten. Jetzt waren hier aber nur ein Schotterplatz, das leere Gebäude mit seinen durch den Wind wie frisch gekehrt aussehenden Böden und ich, der herumschlich. Es war still und ich schaute nach oben und durch das baufällige Dach schien die Nachmittagssonne. Und das Licht war gelblicher, vielleicht auch etwas milchiger, als in den vorderen Bereichen. Ich fühlte mich, als hätte ich plötzlich eine komplett andere Welt betreten und wunderte mich auch, warum mir dieser Abschnitt des Parks vorher nie aufgefallen ist. 

In seinen Ausmaßen schien er hier gar nicht hinzupassen, denn eigentlich ist hier doch der Zoo und da vorn die Straße. Nichtsdestotrotz schaute ich mich weiter um, sah mich als Entdecker einer lange verborgenen Welt, bis ich plötzlich die Anwesenheit von etwas spürte. Etwas, dass ich nicht sehen oder hören konnte, nur fühlte. Es ging eine Bedrohung davon aus, die sich schwer auf meinen Körper legte und ich glaubte jeden Moment von etwas gepackt zu werden und nie wieder aus dieser Welt zurück in die normale zurückkehren zu können. Vielleicht hatte ich eine Grenze überschritten und bewegte mich auf einem Terrain, in das ich nicht gehörte. Innerhalb weniger Sekunden entschloss ich mich wieder zurück in den vorderen Teil des Parks zu rennen, wand mich durch die Eisenschranke und lief an meinem Lager vorbei auf dem gepflasteren Weg nach Hause. Dort angekommen gab es verwunderte Fragen, warum ich so schnell wieder zurück sei. Ich schwieg und blieb fortan lieber in meinem Zimmer. Später erfuhr ich, dass es in diesem Park mehrere Morde gegeben hat und Leichenteile gefunden worden.

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