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Ein Pullover aus dem Haar anderen Menschen/Blätterpanzer

Am ersten warmen Tag des Jahres tauchen die Schildkröten aus den tiefen des Tümpels auf und beleben ihre Leiber in der Sonne, auf ihren Panzern bleibt eine Kruste von Schlamm und Algen zurück, die langsam trocknet und zu Staub zerfällt. Ich lege mich mit leicht verstopfter Nase für ein paar Minuten hin. Das linke Bein habe ich über den Rand des Bettes angewinkelt auf dem Fußboden, so als wäre es ein Anker, der mich in der Wirklichkeit bleiben lässt. Die Wärme liegt wie eine Hülle auf meinem Körper und das Sonnenlicht dringt durch meine Augenlider und macht sie rötlich transparent mit Übergängen ins Grün. Einmal zog ich an einem Joint und drehte danach meinen Kopf mit geschlossenen Augen in die Sonne in der Hoffnung auf der Innenseite meiner Augenlider würden Dinge entstehen, aber es waren nur rote und grüne Flächen. 

Das Kraut hat bei mir nie eine Wirkung gezeigt, außer die sowieso schon vorhandenen Denkknoten noch komplexer zu gestalten und irgendwie sah ich darin keinen nutzen. Es kann sein, dass es genau der Hinweis auf die Denkknoten ist, den mir das Kraut geben wollte. Ich möge diese hinter mir lassen, aber das ist ja dann auch schon wieder eine Denkschlaufe. In nächtlichen Momenten der Erschöpfung entstanden in regelmäßiger Häufigkeit Bilder auf dem inneren der Netzhaut. Aus dem Dunkel kamen Figuren auf mich zu, Wölfe oder besser ein Wolf. Nicht bedrohlich, ich konnte ihm zuschauen, wie er über die schwarze Fläche lief und ich fragte mich: lasse ich ihn jetzt hier lang laufen oder ist er ein indianisches Leittier? Denn ich erinnere mich an einen Nachmittag im Zimmer eines Indianer-Anhängers. Ich fragte ihn alles mögliche über Indianer und er meinte, ich solle mal meine Augen schließen und schauen, welche Wesen dann entstehen. Und aus diffusen Formen entstand ein See und dann...ich weiß es nicht mehr, es kann sein, dass es auch damals ein Wolf war. 

Für mich war die Erkenntnis entscheidend, dass die Augenlider nicht nur zum Schutz der Augäpfel dienen, sondern auch eine Projektionsfläche sind. Denn schließt man die Augen, sind sie nicht mehr Empfänger von Lichtreizen, die im Gehirn zu Bildinformationen gemacht werden, sondern funktionieren in die umgekehrte Richtung als Projektoren der Erinnerungen, die auf die Innenseite der Lider geworfen werden. In einem weiteren Schritt, wenn die Technik soweit ist und in unsere Körper eingebaut wird, können wir vielleicht sogar über unsere Augen Gedanken auf echte Leinwände projizieren. Spiritualität und technischer Fortschritt werden sich am Ende als eine bahnbrechende Kombination erweisen. Ich bemerke, dass ich mein linkes Bein angehoben habe, es hängt in der Luft und ich senke es langsam nach unten. An der Fußsohle spüre ich zur Hälfte ein Stück Teppich und kalten Fußboden, ich öffne meine Augen und tauche aus der Tiefe meines Tümpels wieder auf. Am Rand steht ein Wolf und schaut mich prüfend an.

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