Unter mir donnert eine S-Bahn. Sie klingt dabei wie ein heulender Dinosaurier. Ich liege im Dunkeln auf dem Bett und kaue auf einem Dinkel-Brot mit Käse. Im Dunkeln zu Essen erhöht die Intensität des Geschmacks. Später stehe ich im Nebel und schaue auf einen dunklen See. Am Tage war er eine graue bewegte Fläche, auf den Wellen reflektierte das Licht der Sonne, dass durch die Wolken gelangte. Nachts ist der See eine undefinierbare schwarze Fläche - verschwimmt mit dem Himmel darüber, kein Mond, der das Wasser blitzen lässt. Einfach eine schwarze Fläche, die sich vor einem ausbreitet, ohne ihren Anfang und ihr Ende preis zu geben. Diese schwarzen Flächen üben eine Anziehungskraft aus. Es scheint, als könnte ich mich von ihrer Realität nur überzeugen, in dem ich ihnen Nahe komme, sie berühre, die Nässe spüre und mich so von der Wirklichkeit überzeuge. So ist es immer zwischen mir und den Gewässern. Wenn ich einmal schwimme in einem See, bzw. bevor ich schwimme, stehe ich im hüfthohen Wasser und zögere, weil eben jenes Wasser kalt meine Haut berührt. Dann entscheide ich mich nach vorn zu springen ich und tauche in das Wasser. Dies ist der Moment in dem nicht nur mein Körper in das Wasser eintaucht, sondern auch meine Entscheidung zu tauchen, über die ich Macht habe, mit dem Ausgeliefertsein gegenüber dem Gewässer vermischt. Und dann schwimme ich, schwinge zwischen einem Gefühl der Freiheit und der Angst, die Tiefe des Gewässer unter mir zu realisieren, Angst vor imaginerten Tieren zu haben. Dann bewege ich mich wieder Richtung Land und steige aus dem Gewässer. So geschieht es jedes Jahr ein Mal. Ich denke darüber nach, während ich in die Dunkelheit über dem See starre, über die Gleichzeitigkeit, dass sich die Freiheit der Entscheidung und das Ausgeliefertsein an die Welt gegenseitig bedingen. Dann liege ich wieder auf dem Bett und höre Menschen aus dem Radio sprechen, die sich die sich ein Leben lang für das Aufdecken antisemtischer Taten in ihrem Umfeld einsetzten. Und ich stelle fest, dass ich bei solchen Berichten immer auf eine Pointe warte, dass es am Ende doch nur ein Witz ist und keine schreckliche Realität, ich warte auf irgendetwas, dass mir die Möglichkeit gibt, mich davon abzugrenzen, die Grenzen dieser Dunkelheit zu finden, um sie eingrenzen zu können. Aber das gibt es nicht. Nur die Beklommenheit danach bleibt. Und da der Winter beginnt, kratze ich an meinen juckenden Waden. Das Geräusch meiner Fingernägel, die über die trockene Haut reiben, erinnert mich an das Geräusch der Flügelschläge der Schwäne, die in der Dämmerung niedrig über den See flogen.
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