Mal wieder dem Konsumverlangen erlegen. Vor 3 Wochen schlich ich in der Kaufhalle um die Wühlkiste und betrachtete eine Steppdecke. Ich las mir durch, was ihre Vorteile waren. Unter anderem, dass sie aus 2 Decken bestand, die an den Ecken aneinander geknöpft werden. Keine schlechte Idee, dachte ich, denn in diesem Sommer musste ich mehrmals ohne Decke nächtigen, weil es einfach zu warm war. Aber dadurch geht das schützende Gefühl beim Schlafakt verloren und mit so einer Knöpfdecke wäre es möglich, auch im Sommer bedeckt ins Traumland zu reisen. Die Decke war kostete um die dreißig Euro und ich begann abzuwägen, redete mir die Knöpfung madig, weil sie ja vielleicht mit der Zeit nicht mehr halten könnte und dann, also im Winter, hat man zwei Deckenklumpen im Bezug und einer ist ja schon schlimm genug. Sowieso: die einzigen Knöpfe die ewig halten, sind die an echten M65 Jacken.
Und so schlich ich zu anderen Regalen, kehrte noch zwei mal zurück zur Decke, doch verließ den Markt ohne Textil. 3 Wochen später kam ich erneut am Wühlbereich vorbei und sah, dass die Decken reduziert worden. Das Spiel der Abwägung wiederholte sich, ich näherte und entfernte mich vom Kaufobjekt wie ein Planet mit einer verbogenen Umlaufbahn der Sonne mal näher und ferner ist. Und irgendwann dachte ich mir, dass ich meine jetzige Bettdecke schon so lange habe, dass ich mich nicht mal erinnern kann, woher sie kommt. Und das "um die zwanzig Euro" nur ungefähr ein Euro pro Jahr sind, wenn ich die Decke kaufe und nutze. Außerdem ist ja jetzt der Herbst da. Also "wägi, wägi" und "piep, piep, keine Kundenkarte" und das Ding war gekauft.
Zuhause angekommen habe ich dann nach dem ich die Decke schnell gewaschen habe festgestellt, dass ich nicht die Doppeldecke genommen habe sondern eine, die aus zwei fest miteinander verbundenen Decken besteht. Irgendeine neue Recycling-Technologie wurde eingesetzt. Kurzer Ärger, aber auch egal. Zwei Tage später, ich habe auf den Tag gewartet, an dem es kalt werden sollte, bezog ich das Bett frisch. Ein stets angenehmer Akt. Und die neue Decke ist viel wolkiger, als ob man in eine solche eintaucht. Nicht übel. Träume waren auch in Ordnung. Nun kam aber der Gedanke auf, was ich mit der alten Decke machte. Es stecken Jahre voller Träume in ihr, fast soviel wie im Kissen. Und da soll ich sie einfach entsorgen? Bringe ich nicht übers Herz. Denke aber auch, dass es schon wieder merkwürdig zwanghaft ist, den Dingen so viel Existenzrecht einzuräumen.
Aber ich war auch ganz überrascht, wie viel Wehmut ganz plötzlich in mir aufkam, als ich vor ein paar Tagen der Sprengung eines Schornsteins beiwohnte. Zum ersten Mal in meinem Leben. Und so eine Sprengung, das fiel mir sofort auf, ist etwas, dass ganz schnell geht und vor allem unumkehrbar ist. Ein bisschen ist der Schornstein also gestorben und das durchzuckte mich in den plötzlichen und ohne Warnsignal beginnenden Explosionen, die seinen Sturz verursachten. Es kracht und fällt und staubt und dann ist es schon wieder vorbei und ich war ganz beschäftigt damit, mir das eben Gesehene einzuprägen, so wie ich es sah und nicht durch diverse Videobilder verfälschen zu lassen.
Und ich sinnierte darüber während ich unter meiner neuen Decke lag, dass der Schornstein fast auf den Tag genau 22 Jahre nach dem Einsturz der Türme des World Trade Centers zu Boden ging und dass so eine Explosion für die Bewohner dieser Stadt, dieses Landes eine Attraktion ist. Da wird die Lust an der Zerstörung geweckt, an einer überwältigenden Zerstörung in einem kontrollierten Raum, letztlich also auch wieder ein Akt der Stabilisierung der Verhältnisse. Hier explodieren Dinge, aber so, dass niemandem etwas passiert. Vielleicht ist da auch das Verlangen gewesen, ein bisschen nachzuempfinden, wie sich Krieg anfühlt, der ein paar Flugstunden entfernt täglich für unkontrollierte, zerstörerische Explosionen sorgt. Unkontrolliert in der Zerstörung, der Freisetzung von Energie, die Materie brechen lässt, die dafür gedacht war stabil zu sein. Darin unkontrolliert, aber sehr wohl kühl berechnend eingesetzt, um einen Gegner zu brechen.
Ich bringe jetzt die Decke in den Müll, verabschiede mich von den Daunennächten, genauso wie vor 22 Jahren von einer Zeit der friedlichen Unberührtheit und begebe mich in die Umarmung der synthetischen Polymer-Doppel-Wolke.
TV
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