Nach fast zwei Wochen temperaturbedingter Unbedecktheit beim Schlaf, konnte ich endlich wieder eine schützenden Decke über meinen Leib werfen und dem nächtlichen Geräuschgemisch aus Regenrausch und Rauschgegröhle lauschen. Der Morgen danach begann mit dem rasselnden Ruf einer Elster, der klingt, als reibe man zwei Schieferplatten ganz schnell aneinander oder ließe einen Stock aus Beton an den Stangen eines Geländers aus Beton entlangklappern. Das ganze aber in einem schalldichten Raum, so dass es eben ganz trocken klingt.
Von diesem Geräusch wachte ich auf und bemerkte, da ich, welch ein Privileg, noch etwas liegen bleiben konnte, dass es verschiedene Aufwachgeschwindigkeiten gibt. Beiden gemeinsam ist, dass der Geist aktiviert wird und seine üblichen morgendlichen angenehm ungeordneten Gedanken durchs die Hirnhallen wirft. Als sehr angenehm empfinde ich es dabei, nur ein Betrachter zu sein und sehe den Dingen und Worten, erschreckend oft sind es auch Zeitungsartikel, die erstaunlich sinnhaftig scheinen, dabei zu, wie sie herumwehen, gemeinsam mit rollendem Gesträuch in einer westlichen Prärie genannt mein Schädelinneres.
Den Unterschied bei den Aufwachgeschwindigkeiten macht der Körper - in der schnellen Variante ist er sofort spürbar, das Blut, die Gliedmaßen und mit seiner alarmierenden Bereitschaft sich bewegen zu wollen, wischt er die eben noch zu sehenden Gebilde im Kopf ziemlich schnell zur Seite. Die langsame Variante, von mir bevorzugt und zum Glück in letzter Zeit immer mal wieder auftauchend, lässt dem Geist etwas länger den Vortritt, bzw. bleibt der Körper noch länger inaktiv - der Bewegungsapparat ist noch ausgeschaltet, gleichzeitig sind die Gliedmaßen aber schon zu spüren, ihr Gewicht und wie sie weich in die Matratze sinken und von einer Decke, deren Schwere auf der Haut spürbar ist geschützt werden. Dann vielleicht noch ein sanfter Windhauch aus dem offenen Fenster über die nicht bedeckte Gesichtspartie und in mir herrscht der Wunsch diesen Zustand ewig aufrecht zu erhalten, egal ob mit geschlossenen oder offenen Augen.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird das auch gefährlich. Denn irgendwann kann ich ewig liegen bleiben. Ich erinnere mich an Tage, in denen ich das Bett gar nicht verließ, nur lag und schlief oder im Zustand zwischen Wachsein und Schlaf verweilte, um den Problemen die ich mit der Welt hatte auf unkomplizierte Weise zu entkommen. Der Dauerschlaf ist auch eine sehr günstige Alternative zum Urlaub.
In letzter Zeit jedoch trat noch ein neues Motiv in meine Schlafwelt ein: Die Angst vor dem Einschlafen, weil es kein Aufwachen mehr geben könnte. Genauer gesagt, ist es ein mangelndes Vertrauen in den eigenen Körper, dass er die Prozesse in Gang setzt, die einen wieder aufwachen lassen. Ich will eigentlich gar nicht weiter über den Einschlafprozess nachdenken, denn je länger ich dies tue, desto merkwürdige erscheint er mir: Ich lege mich im besten Fall aus mehr oder minder eigenem Willen in ein Bett, weil ich Müdigkeit empfinde. Dann schließe ich aus eigenem Willen die Augen, aber danach passiert etwas, dass sich meinem Willen entzieht und wie alle Menschen, kriege ich den Prozess des Einschlafens an sich nicht mit, höchstens, wenn ich noch einmal durch ein Geräusch aufschrecke und bemerke, dass ich eben gar nicht mehr da war oder die Motorik, bevor sie gänzlich abgeschaltet wird, nochmal das Bein zucken lässt.
Was aber an sich passiert, entzieht sich doch vollkommen der Kontrolle und mich befällt eine gewisse Unruhe, wenn ich daran denke, allein meinem Körper überlassen zu sein, der entscheidet, weiter zu atmen oder auch nicht. Wer weiß das schon? Vielleicht kommt vom mangelnden Vertrauen in den Leib auch mein leichter Schlaf, der mich jede Nacht aufwachen lässt. Bin ich noch da - frage ich mich dann unter der Decke liegend. Manchmal ziehe ich sie dann auch über den Kopf - und sie wird pro forma zum Leichentuch mit dem ich meinem Körper demonstrieren will, dass ich doch noch irgendwas in der Hand zu haben glaube.
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