Direkt zum Hauptbereich

Loddeln/Strafgemach


Im Augenwinkel hüpfen die braunen Vögel, links und rechts am Wegrand herum. Ihre Schnäbel gefüllt mit etwas, dass wie kurze Grashalme erscheint. Dann aber, beim erneuten hinsehen: Es sind hellgrüne kleine Raupen, Raupenhaufen die quergelegt in den Vogelmündern, den Schnäbeln, den bauchigen Scheren, noch lebend sich winden, während der Vogel mit seinen starren knopfigen Vogelaugen den Kopf hin und herbewegt, unschlüssig, wie er mich und meinen verharrenden Schatten interpretieren soll. Ich schaue ihn mir an und die sich bewegenden Raupen, das grüne Leben - wie es zu dieser Jahreszeit im Wald plötzlich explodiert. Und jedes Mal der Unglaube, dass ich hier noch vor 3 Monaten durch die Kälte und den Matsch gefahren bin. 

Die Raupen übrigens sind jene, die sich von den Bäumen herabseilen und dann in der Luft hängen, gerne auf menschlicher Augenhöhe. Und wenn man zu zweit durch den Wald läuft und einer so eine Raupe direkt vor sich hängen sieht, stehen bleibt und mit dem Finger darauf zeigt, schaut der andere, dem Finger folgend in die Weite, dort hinten einen Bären oder Hirschkäfer erwartend. Aber das Objekt ist ganz direkt vor dem Zeigefinger, sodass die Augen ungewohnt nah fokussieren müssen und den grünen kleinen Strich sehen, der da unbeweglich in der schwebt. Der Hintergrund verschwimmt und der Raum, der nur gefüllt ist mit Waldluft wird auf einmal ganz groß und die Bäume im Hintergrund werden unscharf. Das ist ja wirklich so, habe ich festgestellt. Wenn man etwas mit den Augen fokussiert, werden die Objekte davor und dahinter unscharf. Früher dachte ich, dass ist nur ein Unvermögen, dass Kameras haben. Aber sie eifern auch hier nur ihrem menschlichen Vorbild nach. 

Ein anderes Vorbild ist das Ohr - ich nutzte es und hielt die Muschel ganz nah an eine Eisenrohrkonstruktion zur Verwahrung von Kleidern, die ich gerade auseinander baute, um sie in einem LKW zu verstauen. Ich vernahm ein Rascheln und Rumpeln aus einem der Rohre und wog es mehrmals in der Hand hin und her. Es klang wie ein weicher Regenmacher, dieses von den Hippies okkupierte Kultinstrument, dass wir vielleicht bald wieder in seiner ursprünglichen Funktion brauchen werden. Ich löste die letzten beiden Teilstücke der Konstruktion und aus den Rohren fielen 6 tote dickbäuchige Bienen auf den warmen Asphalt vor mir. Sie müssen schon sehr lang dort drin gewesen sein, denn sie klangen wie Steine, sowohl als sie noch Regenmacherbienen waren, als auch jetzt, als sie tot in die Freiheit fielen. 

Und ich wunderte mich mal wieder über den Drang der Insekten ins Dunkel zu kriechen oder ins Licht. Getrieben von dem Willen eine neue Kolonie zu gründen oder willenlos gesteuert durch das Lichtorgan auf ihren pelzigen Rücken, quetschen sie sich durch irgendwelche Ritzen oder Löcher durch die sie dann nicht mehr zurück finden. Stattdessen stehen dann Menschen wie ich ihr ganzes Leben lang vor Doppelglasfenstern und wundern sich, wie die Fliege da rein gekommen ist oder haben extremen Respekt vor den Reinigungskräften, die nach jedem Sommer die Gläser der Stadtlaternen abschrauben und diese Insektenmassengräber ausleeren, wenn sie wieder so voll geworden sind, dass das Licht der Glühbirnen nur noch vage durch einen dunklen, körnigen Schatten zu erahnen ist. 

Und dann das trockene Rumpeln von tausenden vertrockneten Insekten und auch ein paar Spinnenhäuten, die in eine Plastiktüte geschüttet werden...während eine Amsel daneben sitzt, den Kopf leicht schräg gelegt, den Mund voll mit sich windenden grünen Raupen.

TV

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dior Straits / At the gates

Als Soundtrack zu diesem Eintrag abspielbar: Im Traum alles voller Verlustängste: Naheste Menschen aus verschiedenen Zeiten vermischen sich zu einer Person und sind nicht erreichbar für mich. Typischerweise am Telefon. Rufton, Automatische Mailbox. So oft anrufen, bis die Mailboxstimme vertraut wird und die Vision entsteht, das sei die zu erreichende Person. Herumirren in einem schmalen Zimmer und immer wieder zwei Bettdecken aufschütteln von denen eine blaugelb gemustert ist und gar nicht mir gehört sondern aus einer WG stammt, die doch gar nicht in der Stadt ist. Wurde ich verstoßen und in der Fremde aufgenommen?  Ich rede mit den WGlern, dass ich die Flure und Wände gar nicht so dunkel getüncht und unrenoviert in Erinnerung habe, es aber mag. Das Haus sieht von außen nämlich ganz anders aus. Hell und neu mit ganz geraden Fensterfronten und elektrisch verstellbaren Sonnenschutzrollos außen dran. Die WGler wirken peinlich berührt und meinen, es gäbe hier gar keine dunklen Flure. Es sc

Garaus/Windrinde

Ein Wildschwein rennt durch die Straßen. Es hat auf seinem Rücken langes Fell, dass mindestens genauso hoch wie es selbst nach oben aufgestellt ist, eigentlich so aussieht, als sei es geföhnt und an den Kanten ganz sauber geschoren und in die Form eines Quaders gebracht. Das Schwein wird von Hunden gejagt und der Fellquader auf seinem Rücken verwandelt sich in einen weiteren Hund. Die Menschen dort greifen nicht ein. Ich bemerke, dass ich meine eigene Hand halte. Ich bin nicht verängstigt, versoffen oder verzweifelt, erinnere mich aber an Momente, in denen ich in solchen Zuständen erwachte und mir selbst versuchte durch sanftes reiben der Oberarme Halt zu geben, mir selbst die Hand hielt, um nicht allein zu sein mit der Übelkeit und den pergamentenen Zuständen, in denen sich Körper und Geist nach Feierein befinden.  Aber schon Baron Münchausen wusste, dass er sich und sein Pferd nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen konnte und auch ich bin mir klar, dass mein Mir-Selbst-Die-

Abag/Zetapak

Was für ein Tod wäre das gewesen: Pseudo-Rebell-Rocker überfahren von einem Sixpack - ich wollte eine Straße mit dem Fahrrad queren, die ich mindestens drei mal in der Woche vor mir habe. Seit einem Unfall ohne Verletzungen, aber mit erheblichem Sachschaden und Schock meinerseits, weil der Besitzer, des zerstörten Fahrzeugs (Unterboden pfutsch oder futsch?) zu mir meinte, "Ich solle nach Russland abhauen oder mir gleich einen Strick nehmen." , schaue ich lieber zweimal nach rechts und links und warte, bis die Autos vorbeigezogen sind, auch wenn sie noch ein gutes Stück von der Position entfernt sind, an der ich am Rand der Straße warte.  So stand ich auch diesmal wartend auf die sehr kurze Grünphase der Ampel an besagter Straße. Diese Phase ist so kurz, dass man es gerade mit dem Fahrrad herüber schafft, bevor das grüne Männchen wieder rot wird. Früher regte ich mich darüber auf, aber inzwischen gehe ich entspannter damit um, denn es ist eine sogenannte Bedarfsampel, dass b