Gestern fragte mich jemand, warum ich Texte schreibe. Um a) mich mit Dingen auseinanderzusetzen oder b) um Menschen zu unterhalten. Daraus ergaben sich für mich zwei Dinge. Erstens, die Antwort auf diese Frage und zweitens eine Frage ans Publikum, die sich daraus ergibt: Sollen wir mal eine Ausgabe machen, in der ich Frage der Leser beantworte? Eine Ask Me Anything Ausgabe? Ich würde so ca. 2 bis 3 Wochen Fragen sammeln und sie dann in einem Blogeintrag beantworten. Und da würde ich dann auch die Eingangsfrage beantworten. Okay?
Heute soll es in kurzer Manier um meinen Denkfehler im Mischkonsum gehen. Seit letztem Jahr habe ich die eBay-Kleinanzeigen Applikation auf meinem Smartphone. Schon davor war ich großer Freund, dieser Plattform, denn ich kann viele Dinge entdecken und günstig erwerben, die ich mir neu nicht leisten kann oder will. Ganz nebenbei ist die Lust am Entdecken irgendwelcher Schnäppchen oder Obskuritäten (zb. eine äthiopische Münze mit den abbessinischen Löwen und dem Konterfeit von König Haile Selassi) für mich mehr als ein genussvoller Zeitvertreib.
Moralisch gesehen, scheint die Plattform auch einiges zu bieten, denn was vielleicht ansonsten durch die unterstellt konsumistisch orientierten Menschen entsorgt worden wäre, findet einen neuen Besitzer auf dem zweiten Markt. Ich dachte bis vor ca. 30 Minuten auch, dass ich etwas sehr gutes tue, denn anstatt den ersten Markt mit Devisen zu befeuern und die Hersteller verschiedener Produkte (im Moment erwäge ich ein Paar Adidas Superstar Sneaker zu erwerben) dazu zu bringen immer mehr herzustellen unter ausbeuterischen Bedingungen, hole ich mir was ich brauche bei Kleinanzeigen für eine geringere Summe.
Allerdings, mit großem völkischen ABER, muss das gar nicht der Fall sein. Denn mit meinem Geld vom zweiten Markt kann ja der Verkäufer auch etwas auf dem ersten Markt erwerben. Und somit befeuere ich jenen ebenso. Was erkenne ich? Der zweite Markt wirkt in beide Richtungen. Er profitiert nicht nur vom ersten, sondern der erste eben auch vom zweiten im zweiten Schritt. Abgesehen davon habe ich mit erschrecken festgestellt, das mein unkontrolliertes Konsumverhalten auf den Gebieten Fashion (US-Army Hemd aus der Vietnamkriegs-Ära, why not?), Musikequipment oder Schallplatten durch die Plattform extrem befeuert wird.
In den letzten Monaten habe ich mich dabei ertappt, beim geringsten Gedanken oder Verlangen nach einem Produkt sofort auf eBay Kleinanzeigen danach zu schauen und in den meisten Fällen auch eines zu erwerben. Warum? Weil es den Impuls befriedigt. Dieses Phänomen ist mir natürlich bekannt, aber ich schreibe hier zum ersten Mal darüber, dass ich es nun auch an mir feststelle. Und ob dieser Konsum nun mit Objekten vom ersten oder zweiten Markt befriedigt wird, macht von der Sache her keinen großen Unterschied.
Es ist so, wie der Wechsel von Oxicodon auf Heroin. Das Risiko ist höher auch mal Dreck zu kaufen und man hat mehr Schereien. Für beide Märkte gilt aber, je mehr man sich besorgt, desto mehr will man haben. Nicht weniger. Ich habe mir in den letzten Wochen schon öfter gesagt, jetzt reicht es aber erstmal wieder mit dem "shopping".
Und keine 4 Tage später häng ich wieder da und suche nach ner Wayfarer von 1987 (Kenner wissen Bescheid). Vielleicht sollte ich die Applikation einfach mal Löschen und den Zustand aushalten. Aber für irgendwas muss ich doch mein Geld ausgeben, oder?
Zum Thema Aushalten noch eine kleine Anekdote: Nach einem sehr interessanten Streit-Gespräch, dass ich führte, wachte ich am nächsten Morgen mit folgendem Gedanken auf: Es gibt den Zustand des Wissens und des Unwissens zu jedem Thema. Beide Zustände sind stabil und stellen die jeweiligen Enden einer Bockwurst, Parabel oder sonstigem dar. Es gibt aber auch einen dritten Zustand, der sich zwischen dem (Bescheid) Wissen und dem Unwissen befinden.
Dieser Zustand stellt sich aber als extrem unsicher dar - denn wer sich in ihm befindet, kann sich noch nicht sicher sein, ob das was sie oder er zu wissen glaubt, richtig ist oder doch falsch. Kann es am Ende sogar sein, dass wir uns die meiste Zeit unseres Lebens in diesem Zustand befinden? Und ich deshalb diese Texte hier niederschreibe um mich diesem Zustand auszusetzen? Ich glaub ich muss mal schauen, ob ich dazu was bei Kleianzeigen finde und hoffe, die Schuhe sind noch zu haben.
TV
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