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In Dur/Indoor

Günstig kam ich neulich an einen Sammelband Russischer Märchen heran. Famose Illustrationen inklusive. In einer Geschichte, besitzt ein schönes Mädchen eine magische Puppe, die ihr hilft, schwere Aufgaben zu erledigen. Diese Aufgaben hat die schöne Wassilissa von ihrer Stiefmutter aufgedrückt bekommen. Aus dem einfachen Grund, weil sie so schön ist, das die herbeireitenden Männer, die nach Mädchen im heiratsfähigen Alter Aussschau halten, nur sie sehen und die leiblichen Töchter der Stiefmutter nicht beachten. Das führt dann soweit, dass Wassilissa in den Wald geschickt wird, wo Baba Jaga wohnt (Notiz an mich selbst: geiler DJ Name - Babo Jaga). Bei ihr soll sie Kerzenlicht holen. 

Und jetzt wirds witzig: Das Haus der BJ ist umzäunt mit Menschenknochen, das Torschloss ein menschliches Gebiss. Und in der Nacht leuchten Totenköpfe auf. Das Haus selber ist sicherlich auch aus Menschen gemacht. Weil Baba Jaga Menschen ist isst, die sie fängt, während in so einem altertümlichen Butterstampfer durch den Wald reitet bzw. fliegt. 

Was ich daran witzig finde, ist einerseits der Horror, zweitens aber auch, dass ein Musiker Namens Chuck Berry Bo Diddley sich da scheinbar in irgendeiner Weise bedient hat. Denn in seinem Song "Who Do You Love" singt er nicht nur davon, dass er ca. 50 KM Stacheldraht entlang gelaufen ist, sondern auch ein Haus hat, dessen Schornstein aus Menschenköpfen ist. Und nachdem er seine fragwürdigen Besitztümer aufgezählt hat, fragt er wiederholt die schöne Irene: "Sag mir jetzt mal, wen liebst du?" Was sie wohl antwortet?


Mir scheint hier erneut der männliche Irrglaube aufzutreten, besonders gefährliche Männer bzw. Männer die insistierend und drängend Fragen an Angebetete stellen, haben die besten Chancen, diese Angebetete zu erreichen. Ein weiteres Beispiel ist sicher, der allseits bekannte Springsteen Song "I'm on fire", den ich mag, den ich sogar covere und anbete. Aber immer wieder fällt mir auf, dass die Geschichte auch was Stalkendes hat. Weil da ja jemand scheinbar vor dem Haus einer Flamme lauert und ihr so einiges erzählt. Im Refrain schwingt die leichte Drohung mit, dass er brennt. An dieser Stelle mal eine andere Variante des Feuer-Dings von Sprungstein:


Letztlich zieht sich dieses Phänomen der Bedrängung durch weite Gebiete der Rock und Popmusik und ich las kürzlich (ich habe leider vergessen wo), dass es eine ziemlich Matriarchalisch-Zentristische Annahme sei, weibliche Wesen mögen es bedrängt zu werden, bzw. erobert, entführt usw.... Vielleicht als eine Option in der Fantasie. Auf der anderen Seite, wer es mag, kann es gern so haben. 

Nichtsdestotrotz geht die männliche Annahme einfach davon aus und die Männer singen es dann. Und es schien ja zumindest für den Verkauf von Musik zu funktionieren. Was mich wieder auf meine Theorie zurückführt, dass Angst schon immer das beste Mittel war, um Ziele zu erreichen. Weil Angst das evolutionär am tiefsten verankertste Gefühl ist. Denn Angst rettete unsere Vorfahren vor dem oft zitierten Säbelzahnigel und aktivierte in ihren Körpern Adrenalinausschüttung und damit den Drang hinfort zu rennen. 

Ich wiederum renne ziemlich selten und musste erschrocken feststellen, dass meine Sehnen zu brennen beginnen, sobald ich versuche meinen Oberkörper bei hängenden Armen Richtung Boden zu biegen. Werde ich also vom Igel gefressen? Ich habe etwas Angst und Angst liegt in der Nähe von Traurigkeit und Traurigkeit lässt sich in der Musik am einfachsten durch Moll-Tonarten zum Ausdruck bringen. 

Und ich schrieb und schreibe fast ausschließlich in Moll. Warum, kann ich gar nicht so genau sagen. Aber wenn ich eine Liste der von mir verfassten "Lieder" anfertigen würde und hinter jedem ein D für Dur und eine M für Moll stünde, wären es doch ziemlich viele M's. 

ABER und jetzt wirds wieder witzig, im Völkerischen Sinne steht das für Interessant: Ich arbeite zur Zeit an einem Lied, es heißt "Ohne Was Zu Geben" und es ist in DUR verfasst. Nicht nur das, es changiert zwischen zwei Dur-Tonarten. Und aus irgendeinem Grund hob sich meine Laune, seit dem ich an diesem Lied schraube. Liegt es am positiven Dur-Geschlecht? Oder liegt es an meinem großen Wagnis die Apps "Facebook" und "Messenger" von meinem Handy verbannt zu haben und der daraus entstandenen Möglichkeit, dass ich mich für längere Zeit mit wichtigen Dingen beschäftigen kann, als mich damit zu befassen, auf besagten Portalen zu erfahren, was andere so machen und erschaffen? 

Ist mir eigentlicht egal. Ich werde es auf jeden Fall mal so beibehalten. Jetzt noch n bisschen weniger Bier und weniger Zucker/Kuchen und die leichte Möglichkeit eines besseren Lebens möge am Horizont aufblitzen. Oder ist das nur einer der leuchtenden Totenköpfe an Baba Jagas Haus?

Kein Frieden,

Tim.


PS: sowohl "Who Do You Love" als auch "I'm on fire" sind in Dur geschrieben, was meine Moll/Angsttheorie sofort torpediert.

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