Der Sender Phoenix versorgt jeden der ein Empfangsgerät hat, zuverlässig mit Gedanken und Berichten über den Gröfaz. Das ist erstmal nicht so schlecht, finde ich. Eine permanente Aufarbeitung wider dem Vergessen der Schrecken des dritten Reiches. Allerdings fiel mir beim Nachdenken letztens auf, dass dem ganzen auch etwas mystifizierendes anhaftet. Das beginnt schon mit dem Namen des Senders: Phoenix, der Vogel, der aus der Asche aufsteigt, seiner eigenen Asche. Er verbrannte sich selbst, um mit neuer Kraft aufzuerstehen.
So las ich es nach. Und verknüpfte sogleich, dass der Name des Senders, der so viel Nazi-Geschichte bringt, unangenehm prophetisch erscheint. Ist mit Phoenix etwas Hitler gemeint, der aus der Vergangenheit unsterblich zurückkehrt, in dem er tagtäglich über Bildschirme flimmert? Irgendetwas daran erscheint mir unangenehm, aber noch unangenehmer wäre, wenn ich dadurch ein Nazi-Mystik-Komplott aufdecke und dann nichts mehr über das dritte Reich verbreitet werden würde. Das geht nämlich gar nicht. Sonst würden wir Deutschen ja irgendwann denken, wir wären die guten und uns würde nichts böses anhaften. Aber so ist es nun mal - wie das so ist.
Und deshalb ist Phoenix das kleinere Übel als gar kein Phoenix, das ist ja auch nicht die einzige Quelle für Geschichtswissen. Trotzdem entsteht bei mir Bauchgrummeln, weil ich selbst mit dem Gedanken spielte, sollte ich irgendwann einmal ein Album, an dem ich schon lange arbeite, fertigstellen, so eine Art Phoenix-Move zu machen. Das Album trägt zur Zeit den Arbeitstitel "Knabenmorgen-Blütenträume".
Und ich wende den Gedanken hin und her, ob ich es unter dem Namen meiner langjährigen Band "206" veröffentliche oder aber unter meinen eigenen "Timm Völker", das hätte verschiedene Gründe, unter anderem, der Abschluss eines Lebens- und Kunstabschnitts, vor allem aber würde es den Phoenix-Move ermöglichen: Ein Auftritt, der einem Ritual gleicht an dessen Ende ich nackt einem rauchenden Topf entsteige und gereinigt vom Schmutz und Leid der letzten Jahre in eine neue Zeit übertrete, die dann passend mit der neuen Musik untermalt wird.
Ich stelle mir das ein bisschen witzig vor, aber vor allem rituell und reinigend für mich selbst. Und doch, durchaus ernst gemeint. Ich bin ja auch über die Jahre ein Feind der Ironie geworden, die einem letztlich nur ermöglicht, nichts ernsthaft betreiben zu müssen. So erlebte ich es oft genug selbst. Daher die Feindschaft.
Wie auch immer es nun sei, weiß ich aber nicht, ob Phoenix dieses Ritual dann live überträgt, wie vor einiger Zeit die Beerdigung von Helmut Schmidt. Und ob ich das will. Weil: es wäre absurd, aber auch etwas beklemmend, auf dem selben Kanal zu sehen zu sein, wo Adolf Hitler omnipräsent ist.
Was schreibe ich hier eigentlich?
Kann ich genau sagen: Gedankengespinste, die entstehen, bei jenen, die genug Zeit haben sie zu drehen und zu wenden, die Gedanken und sich im Bett nochmal umzudrehen beim Gedankendrehen. Dieses Privileg genieße ich. Manchmal. Manchmal macht es mich aber auch schier verrückt.
Bei geschlossenen Augen sah ich letztens ein kleines A in dem dunklen, nur von einigen rot-violetten Blitzen durchzogenem Sichtfeld, das entsteht, vor oder nach dem Einschlafen. Es leuchtete links oben auf und rechts unten schob sich der abgenutzte Bug eines alten Holzbootes ins Bild. Abgeblätterte weiße Farbe, wie an den Fensterrahmen in meiner Kindheit, darunter graues Holz.
Und dieser Bug, bewegte sich immer wieder hinein, in den für mich sichtbaren Bereich, aber nie das ganze Boot. Es scheint wohl noch nicht so weit zu sein, dass ich einsteigen darf, in den alten Kahn, der mich über den Fluss ins Totenreich bringt.
Damit ich dann wieder zurück kehren kann.
Mit neuer Kraft - in neuen Kleidern.
Ich wünsche einen unangenehmen Tag der Arbeit,
TV.
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