Am Tresen ist erkennbar, wie lang eine Bar schon steht. Ich bemerkte am Rand des Brettes Farbabnutzung, die von vielen Ellenbogen und Unterarmen stammen musste. Die Lack verschwand und gab das Holz frei, das jetzt durch Leder, Stoff und schiwtzende Haut, speckig glänzte. Wahrscheinlich auch durch eine oder mehrere Stirnen, die in Müdigkeit oder Trauer auf der Tresenkante abgelegt oder auch auf jene gehauen worden.
Etwas weiter Richtung Barkeeper und Spülbecken gibt es dann einzelne Streifen und Vertiefungen, die von der Ausgabe der Biere herrühren. an dieser Stelle wanderten und wandern viele Flaschen Süden nach Norden, um den Durst jener zu stillen, die einkehren um zu vergessen, sich dem lila Nebel hinzugeben von dem schon Jack London in seinem Buch "König Alkohol" zu berichten wusste.
Vielleicht stammen die Furchen auch vom Hartgeld, dass von Norden nach Süden über den Tresen wandert. Vielleicht ist es auch logischer, die Keeperseite als Norden zu bezeichnen, der seine Stoffe den Verdammten im Süden schickt. Hierbei beziehe ich mich auf die Terminologie der Band Slayer, bei ihnen heisst es in dem Stück "South Of Heaven": On and On South of Heaven/Weiter und weiter südlich des Himmels. Und Süden ist unten, also die Hölle und in die Hölle findet jeder der trinkt. Die Hölle erwartet sie/ihn. "Hell Awaits" - ein weiterer Songtitel der Band S.
"König Alkohol" kann ich als Lektüre sehr empfehlen, nachdem Swaggy Flo es mir empfahl. Es beschreibt sehr gut, die Wege und Gründe in die Alkoholsucht. Mir sehr einleuchtend macht London deutlich, dass A. eine soziale Droge ist, die aus gesellschaftlichem Zwang konsumiert wird, die von Anfang an in Gesellschaft und mit gesellschaftlich angenehmen Momenten verbunden wird. Ein weiterer Grund die G. zu meiden.
So schlich ich einmal die Straße auf und ab, nippend an einer Limonade und sah auf der gegenüber liegenden Seite, das letzte unsanierte Haus, fertig und frisch gemacht. Neue Fassade, Fenster, usw. Im Erdgeschoss steht eine Ladenfläche zur Verfügung, sie war zum Zeitpunkt meines Schleichens, ca. 2Uhr Nachts hell erleuchtet und gab ihre frisch verputzten Wände preis. Nicht nur das.
Stolz auf ihre Schönheit und wie zum Hohn, kleidete das Geschäft seine Front mit Leuchtschriften, solche die Laufen und dazu dienen, Menschen anzulocken. Diese Leuchtschriften liefen auf Werkseinstellung, sagten: Willkommen, Welcome, Hello, Firmenname-Leuchtschriften, usw. Ich sah mir das an und war versucht ein Foto davon für Instagram zu schießen und halbironisch die Gentrifizierung und das Schönmachen der Straße als Abgeschlossen zu bezeichnen, anstatt und das war eine zweite Überlegung, den Laden sofort zu entglasen.
Solche Gewalt oder Unglücksfantasien, wirbeln seit nicht gerade kurzer Zeit durch meinen Kopf und nehmen guten Momenten oder Beobachtungen ihren Glanz. Zum Beispiel sehe ich auch oft Menschen, die an mir vorbei laufen oder auf einem Fahrrad fahren im nächsten Moment schwer verunglücken. Aber sei's drum.
Wie schon erwähnt, ist mit diesem Haus das letzte der Straße frisch gemacht, abgesehen vom kulturhistorisch berechtigten "Schandfleck" der auch die von mir abgenutzten Tresenbretter enthält. Es hat inzwischen etwas museales, dieses Haus und bald schon werden seine Bewohner, wie Museumstiere besichtigt werden. Menschen werden zu anderen Menschen sagen: "So sah es aus, so lebten die. Unvorstellbar, nicht wahr?"
"So lebe ich. Und schlecht geht's mir damit nicht."
Würde ich sagen, wenn ich kein Vogel, sondern ein Mensch wäre.
Krahkrah,
T.
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