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Sozialphobie im erweiterten Wohnzimmer

Für mich immer wieder Auslöser von Nervenzuckungen, bzw. angestrengtem Scharren: Menschen aus dem Nachtleben in der Kaufhalle treffen. Ich schiebe da generell meinen Wagen langsam durch die Gänge, manchmal aus Protest, nicht am Griff sondern "rückwärts", verfalle dabei in einen Singsang und packe Waren hinein.

Das mache ich auch noch nicht so lange, denn bis vor einem Jahr galt der Einkaufswagen für mich als No-Go der Konsumgesellschaft. Stattdessen trug ich meine Warenbabys im Arm. Manchmal fielen sie auch herunter und trugen bleibende Schäden davon. Es ist tatsächlich einfacher, den Wagen zu nehmen. Auch wenn er nicht voll wird. 

Schlagartig stoppt mein Singsang, wenn ich irgendwen sehe, den ich entfernt oder etwas näher kenne. Dann versuche ich die Gänge zu wechseln und Blickkontakt zu vermeiden. Denn ich möchte nicht, dass die Leute sehen, was ich einkaufe. Das ist für mich ein Teil der Privatsphäre, den ich nicht teilen möchte. Und ich kaufe nicht mal Unmengen an Korn oder Schaumküssen oder ähnliches, aber ich möchte da ungestört sein. 

Deshalb renne ich dann extrem schnell durch die Halle, packe alles ein, nur um dann an der Kasse genau auf die entfernt oder etwas näher bekannten Personen zu treffen. Kurzes "Hallo" gestammelt, Schildkrötenstyle die Ware in den Rucksack, um die Rentner zu provozieren und schnell raus hier.

Letzte Woche ist mir das tatsächlich drei Mal passiert. Unglaublich. So ein Freak.

Aber ich habe auch Musik wiederentdeckt, die ich vor Jahren mal in einem sehr feinen Studio in Berlin gehört habe, dass jetzt leider abgerissen wurde, um einem Yachthafen zu weichen. Dort lag ich in meinem Schlafsack, denn ich nächtigte dort auch und hörte auf einem tragbaren Plattenspieler die Platte Hooker 'n Heat. Sie kam 1971 heraus und ist eine Zusammenarbeit von Canned Heat, die John Lee Hooker als Backingband unterstützen. Eine Doppel LP. Und ich war verzaubert.


In dem Studio gab es auch eine verwahrloste 80er Spiegel-Bar in der noch viele verwaiste Wodkaflaschen nach menschlicher Wärme suchten. Ich kümmerte mich darum und entdeckte damals die angenehme Kräutertee-Wodka-Kombination. All Night Long! Und auch All Day. 

Jetzt rede ich schon vom Damals. Das erinnert mich daran, dass ich mit 206 vor zwei Wochen mit Karies in Jena gespielt habe, genauer: im Café Wagner und ich stellte fest, dass es schon 7 Jahre her ist, als ich da das letzte mal "gerockt" habe. Und dann konstatierte ich noch erschrockener, dass ich auch schon vor ca. 10 Jahren da gespielt habe, mit der netten Band Chemieverseucht aus dem schönen Bitterfeld, welches tatsächlich auch mal als Titel für das erste 206 Album in meiner engeren Auswahl stand. 

Ich bezeichnete mich daraufhin als früh-vergreisten Rock-Opa von stattlichen 27 Jahren. Meine Haare muss ich ja auch seit 8 Jahren regelmässig färben lassen.

Im April und Mai kommen noch ein paar Knaller-Konzertermine auf euch und mich zu. Details dazu teile ich in den nächsten Tagen mit. Einen Samplerbeitrag werde ich auch leisten. Und diesen Samstag gibt's ein Konzert mit Freefloatingguitargod Han Han Huhman Man und mir im Theatercafé Tabori in Leipzig.


Seid da oder Quadrat!

Timm V.






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