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Tür zur Verantwortung

Ging es hier nicht vor einiger Zeit wieder los, weil jemand in Halle die Tür einer Synagoge aufballern wollte, es aber nicht hinbekommen hat? Als ich heute mit dem Fahrrad durch die Stadt Leipzig fuhr, fiel mir auf, dass ich das fast schon wieder vergessen habe. Wie schlimm muss etwas eigentlich sein, damit man es nicht vergisst? Wie nah? 

Bei mir haben dank der Temperaturen wieder die Tränentage begonnen. Das sind die Tage, an denen man nach draußen geht und sofern man Fahrrad fährt, Tränen über die Wangen kullern fühlt. Und in der Nase dieses Ziehen. Im Knie übrigens auch bei mir, wegen Überlastung. Ich hatte dann aber doch noch eine 4 Meter Holzleiter zurück in Risings Verschlag gebracht. 

An dieser Stelle möchte ich auch nochmal auf die Gesprächsreihe mit hiesigem Doktor Rising im Standort West Magazin hinweisen. Da hat sich im Laufe der Zeit n bisschen was angesammelt an Weis- und Dummheit. 

Der Titel dieses Eintrags lautet Tür zur Verantwortung und letzte Woche trat ich durch zwei solche in zwei Situationen in denen ich glaubte, Verantwortung übernehmen zu müssen wo dies nicht unbedingt nötig war. Beim Konzert einer mir vertrauten Band erlaubte ich mir zum Kontrollpult zu gehen und den Regler nach unten zu schieben, der die Lautstärke der Hintergrund-Musik steuerte. Denn die Band wollte anfangen, aber der Tonmeister war nicht da. Und ohne lange zu überlegen wollte ich helfen und schob den besagten Regler sanft in seine tiefste Position nach unten, als der Tonmeister plötzlich neben mir stand und sagte, ich könne auch gern den Live Sound fahren. 

Ich bat vielmals um Entschuldigung und fühlte in meinem Herzen den Fehltritt, den ich gerade begangen habe. Der Tonmeister schob den Regler dann nochmal nach oben und dann wieder nach unten. Ein Zeichen seiner Macht? Wer weiß. Ich setzte mich dann erst auf einen in der Mitte gespaltenen Schemel dann in einen Sessel und lauschte dem guten Konzert von Contra Solaris. Dann wagte ich mich am Tonmeister vorbei, heraus in die Dunkelheit eines Randbezirks dieser Stadt und wieder nach Hause. 

Am nächsten Tag hatte ich ganz viel Hunger, der sich nicht stillen ließ und ich dachte, da es mir nicht so schlecht geht zur Zeit, könnte dies der unumgängliche Fall in die bodenlose Krise sein, der immer folgt, wenn man glaubt es gehe gut. Ein Bandwurm, eine Unfähigkeit meiner Organe Nahrungsmittel in Energie umzuwandeln, so dass ich innerhalb kürzester Zeit in mich zusammensacken werde und von diesem Erdenrund verschwinden würde. Es kam anders, ich war etwas aktiver als sonst und brauchte deshalb mehr Energie als gewohnt. 

Die zweite Verantwortungstätigkeit ereignete sich, als ich eine vermeintlich nicht erlaubt offen stehende Tür zu schließen versuchte und dadurch den Gram zweier Menschen, die davor saßen auf mich zog. Kurze Empörung. Die verantwortliche Person sagte: "Eine Tür ist eine Tür" und es war bis auf diese leichte Trübung ein Tag, den ich mit nahezu perfekt dosierter Zurückhaltung im sozialen Raum gelebt habe. 

Was lerne ich? Manchmal ist es schwerer Dinge geschehen zu lassen und daneben zu stehen, als verantwortungsvoll helfend zur Seite zu stehen. Seit einiger Zeit sehe ich mehr Dinge die zwischen Menschen geschehen und da möchte ich natürlich helfen, dass die Dinge gerade bleiben und sich nicht unter der Last von Fehlungen und Missverständnissen unnötig biegen, bis sie bersten wenn es Dinge aus Metall oder brechen, wenn es Dinge aus Holz sind. Es gibt ja nur Metall und Holz zwischen den Menschen. 
  
Etwas aushalten heißt Verantwortung abgeben - etwas kaum aushaltbares tun, verantwortungslos zu sein. 

Abschließend noch eine kleine Wiederkehr aus der Kindheit. Im Moment fallen die letzten Blätter von den Bäumen, manchmal tritt die tief stehende Sonne hinter den Wolken und dem Dunst hervor und taucht diese Blätter in ein starkes Licht. Wenn dann der Wind weht, bewegen sich die Blätter und ich schaue mir diese Bewegung an und empfinde eine innere Ruhe, fühle mich im Hier und Jetzt und nicht davor oder dahinter in meinem verantwortungsvollen Gedanken.

Und früher, so sagte meine Mutter, als ich ein Baby war, reicht es aus mich im Kinderwagen unter einen Baum zu schieben, die Bremse verantwortungsvoll anzuziehen und da schaute ich dann stundenlang die Blätter an und war sehr ruhig.  


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