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Höllenschuh und Machermut

Was ist nur mit mir los? Warum bin ich so ergriffen von der Ost/West/Wendethematik? Ich komm zwar aus der DDR, bin da geboren, wohne im Osten der Republik, aber war doch als die sogenannte Mauer fiel, erst zweieinhalb. So richtig habe ich also nichts mitgekriegt vom Regime des Friedens oder wie auch immer das hieß. Ich habe es hier auch schon mehrmalig ausgeführt, komme aber nicht umhin, das Thema immer wieder aufzugreifen. Auch, wenn ich nicht wirklich weiß wieso. Nun also ein surrealistischer Versuch, es herauszufinden:

Auslöser, natürlich, der Tod des Altkanzlers Helmet Kohl, nach dem sich auch die US-Noiserock Band Helmet benannt hat. Er ist das Symbol der Wiedervereinigung, die wir alle wollten. Ost und West, wieder vereint. Eine Nation, ein Reich. Die anderen Länder des Erdenrunds hatten erst Angst, wir würden wieder angreifen, aber wir gaben uns ordentlich und nachdem in der Bundeswehr nun auch die letzten rechtsradikalen Subjekete ausgemerzt wurden und der Bruch mit der Wehrmacht dank Umbenennung von Kasernen durch Ursula von der Leyen gesichert ist, ist doch alles super.

NICHT.

Als erstes: ich habe so eine Reihe von Satirecoversong-Ideen im Kopf: 1. Hold The Line von Toto wird zu "Von der Leyen". Die Refrainzeile dann: "Von der Leyen...damdamdamdam...Krieg ist nicht immer so leicht" oder so. Geht sicher noch besser. Das andere Ding ist schon wieder nicht mehr zeitgemäß, aber was heisst das schon? Ich schreib das hier auch am Sonntag und gebe vor, es Montag geschrieben zu haben. Ist doch scheissegal.

Aus "Dancing With Tears In My Eyes", wird "Dancing with Thierse in my mind." Thierse war der bärtige Bundestagsvorsitzende. Wäre ein guter Abschiedssong für ihn gewesen. Lebt der noch? Wird er sterben? Ist es der Holz-Pieper? Ich drifte ab und das mit Genuss. Ich schwitze beim Tippen, hier auf den Stufen einer alten Holztreppe, an der ich mir meine nackten Füße schmutzig mache werde und regelmäßig Holzsplitter in die oberen Hautschichten eintrete.

Worum geht's nun? 

Es geht um das Gefühl der Verarsche, der Abwicklung. Keine Frage, keiner hatte mehr Bock auf die DDR von denen, die da lebten. Alle wollten Freiheit. Die bekamen sie, in Form von Videorecorder, Farbfernseher, Jogginganzug, Reisen nach Italien und freier Wahl auf dem freien Arbeitsmarkt. Als dann aller Rotkäppchensekt ausgetrunken war, bekam auch der schlaueste Ex-Einwohner mit, dass die Freiheit auch ihre Schattenseiten hat. Job weg. 

Zum Beispiel in einem der großen Chemiebetriebe rund um Halle. Gemeint ist Halle/Saale. Das laut dem Tagesschauausschnitt hier (bitte die Bumsmusik und das merkwürdige Zitat am Anfang ignorieren und die Konzentration auf die Worte und Bilder richten), die am schlimmsten durch Chemieindustrieausstöße kontaminierte Zone ganz Europas war. Wusste ich gar nicht, könnte aber eine Erklärung dafür sein, warum ich so bin, wie ich bin. 



Wie auch immer, diese Chemiebetriebe hatten viele Angestellte. Zu viele. Denn die Produktionsverfahren waren veraltet und nicht sehr modern, sicher auch, weil keiner entlassen werden sollte. Der schöne DDR-Traum von der nicht vorhandenen Arbeitslosigkeit. 

Aber diese Betriebe waren nicht weltmarktfähig. Und so verkündete unser Helmet, dass die blühenden Landschaften leider auch Entlassungen mit sich bringen werden, sagen wir mal von 15000 Mitarbeitern müssen 10000 weg. Gehen dann zu Aldi oder Kondi an die Kasse und zwar auf der Seite vom Piepsdings nicht auf der der Einkaufswagen. Das alles aber so sozial erträglich wie möglich. 

Was bedeutet das eigentlich? Wenn etwas so erträglich WIE MÖGLICH stattfinden soll, kann das auch heißen, unerträglich, weil eben nicht möglich. Naja, Kohl wurde dann in Halle aufm Markt mit Essen und so beworfen und wohl auch gewürgt, schüttelte aber trotzdem Hände. Ich fänd es gut, wenn eines der Lokalblätter im Rahmen der nun sicher bald wieder aufkommenden Kohlera, die Werfer von damals mal interviewen würde. 

Und ja, ich klinge gerade ziemlich verbittert. Und ich bin nicht bei Pegida, will die DDR zurück oder sonst was. Ich bin, wie Eingangs erwähnt, eher ziemlich verwirrt über mich selbst und die ausgelösten Gefühle, die immer hochkochen, wenn ich bewegte oder unbewegte Bilder aus der Wendezeit sehe oder mich an die Bilder erinnere, dich ich selbst abgespeichert habe im Gehirn. 

Ich versteh es nicht - reime mir aber zusammen, dass ich da eine Ungerechtigkeit fühle. Leute, die sich die Freiheit erträumten, bekamen sie. Und das brachte mich dann zu folgendem Schluss: Der Traum, der in Erfüllung geht, wird niemals so schön sein, wie der Traum an sich. Jenes ist das Schicksal des Träumers: Der Traum der wahr wird, wird enttäuschen. Denn der Traum idealisiert und verdrängt die Schattenseiten. Das ist ja das schöne am träumen. Und der Traum sollte niemals wahr werden. Wahr ist die Realität und die ist meistens scheisse. Oder sagen wir, weniger gut. 

Ich glaube, ich fülle die Ladefläche des DDR-Kipplasters aus Plaste aus Schkopau (bei Halle) mit eigenen Befindlichkeiten und gebe zu, dass ich hier ganz schön verklärt und verkitscht aus der Sicht des Spätgeborerenen (2 Wochen überfällig) schreibe. 

Ich nutze es, um dem Gefühl der Ungerechtigkeit ein Bild zu verleihen. Ungerecht in diesem Falle, den Freiheits und Glückstaumel der dummen Ossis auszunutzen und schön Asche zu machen, mit dem was da so rumstand. Aber so geht Kaptialismus und wer das Maul nicht aufmacht hat Pech. Und da nützt es auch nichts, wenn man irgendwelche Häuser anzündet oder Menschen aus anderen Ländern nicht hier haben will. Die haben nämlich keine Schuld daran. Und weil das bald 30 Jahre her ist, wird es sowieso vergessen. Oder ist sie in den Genen drin, die Nachwendeenttäuschungsdepression? Das dumpfe Gefühl verarscht worden zu sein? 

Ist das eine von B.Bargeld sogenannte Befindlichkeit des Landes. Eines Landes, das nicht mehr exisiert. Ein Phantomschmerz, wie nach der Entfernung der Weisheitszähne, wenn der Sommer wieder drückt mit einer tief stehenden Sonne, die die orange-gelben Bezüge der Liegestühle ausbleicht, in denen man drin sitzt und aus so einem Mitropa Glas Orangenlimo trinkt. 

Ey Leute, ich weiß es nicht. 

Und bin jetzt auch ganz schön angestrengt und schon wieder aufgewühlt. Das sind die Momente, in denen ich denke: hätte ich mal Geschichte studiert oder sowas, dann würde ich ein reines Opfer meiner Emotionen sein, weil ich wissenschaftlich herleiten könnte, warum das alles so ist, wie es war und woher es kam, das es so kam. Und ich müsste nicht irgendwelche kruden Ödland-Schreck-Theorien entwerfen. 

Aber erlöst das wirklich von den Gefühlen der Ungerechtigkeit? 

Immerhin, ich hatte einen schönen Trotzmoment. Letztens, kurz vor 0 Uhr mit Jay La Jay beim McDonalds der gebrochenen Herzen Pommes und Burger essen. Ich nur Pommes wegen Vegetarier, aber doch mal kurz glücklich, weil es so ein schöner Anti-Moment war, gegen jene, die nur 800 Meter weiter, jedem, der es nicht hören will, erzählen, wie toll doch das Leben hier ist. Und wie frei. und gesund und so anti-kommerziell.

Sollen sie machen. 

Ich werde genügsam warten, bis das Mischwesen aus Helmut Kohl und Michael Schuhmacher durch die Straßen läuft und diese Republik zerstör-rettet - noch ist mir nicht klar, ob es besser wäre, wenn Helmut Kohl im Körper Schumis zurück kommt oder Schumis Seele im Körper von Helmood mit brennenden Reifen Höllenstimmung verbreitet. Ich glaube eher zweiteres und las auch, dass Schumi als Privatmensch sehr lustig und immer zu scherzen aufgelegt und liebevoll gewesen sein soll. 

Das wäre doch schön, wenn er uns allen mehr von dieser seiner Seite zeigen könnte und in seine Arme schließen würde, was ja dann die umfangreichen Arme von Kohl sein würden und es dadurch eben möglich wäre, dass wir alle umarmt würden und keiner sich benachteiligt oder zweitklassig oder sollte ich schreiben ost-klassig behandelt fühlen würde. Und wenn er im Körper Helmuts wäre, würde er auch gar nicht mehr Formel 1 fahren, weil er nicht in das Auto passen würde. Und wir wären alle Teil der Schumi-Family und unsere Kinder hätten alle kräftige Kinn-Knochen und wir würden uns mit einem Daumen Hoch begrüßen während auf allen öffentlichen und halböffentlichen Toiletten "Unsung" von Helmet als neue Hymne des befindlichen Landes erklingt:

"Die young is far too boring these days."



Ich werde fühle mich älter, als ich vor 10 Jahren jemals war.

Tim.

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