Morjen,
seit ein paar Tagen habe ich mir angewöhnt, in dem mir innewohnenden Dialekt zu reden, welcher der hallesche ist. Das beschränkt sich grösstenteils darauf, dass ich statt einem G ein J spreche. Wie zum Beispiel in Morgen, was dann also zu Morjen wird. Dass ganze mit leichtem Grinsen und Buckel. Ich werde mich davon schleunigst wieder entwöhnen, auschleichen im Fachjargon genannt. Denn, so hab ich es schon einige Male an mir selbst beobachtet: Dialekt-Sprech wird meist in Situationen angewandt, wo normales Sprechen nicht funktioniert, nicht ausreicht oder der Sprecher schlicht zu faul ist, Klartext zu reden. So fällt er dann in einen Sing-Sang, der Lockerheit vermitteln soll. Abgesehen davon, wird aus der ironischen Nutzung ganz schnell echte und dann bleibt es so. Wie beim Schielen, wenn die Augen stehen bleiben. Da hilft nur ein Schlag mit dem Hammer.
Mein Arzt hat mir empfohlen, den Film Snowpiercer zu sehen. Das ist eine sehr schöne Comic Verfilmung. Nach vergeblicher Verhinderung einer Klimakatastrophe, gibt's ne Eiszeit und nur ein paar Hundert Menschen überleben und spielen Gesellschaft inklusive aller Klassen in einem Zug nach, der vereiste Welt umkreist. Gleich am Anfang wird jemand aus der untersten Kaste, die in den letzten Waggons lebt, von Tilda Swinton bestraft, in dem sein Arm durch ein kleines Loch aus dem Zug gehalten wird, gefriert und dann mit einem Hammer zertrümmert wird. Dabei hat er nen Schuh auf dem Kopf. Das beste an dem Film ist, dass er Hollywood-Style hat aber ein cooles Twist-Ende. Sogar inklusive zwei reflektierenden Monologen.
Was mich ein bisschen erschrak war, eine Szene gegen Ende, als ein Kind in den Antrieb des Zuges klettert. Der hat die Form einer Rakete, ganz Stählern und das Kind muss da wohl rein, um irgendwas zu bedienen. In meiner eigenen Kindheit musste ich das auch machen, nein, natürlich nicht, aber ich habe einen über Jahre wiederkehrenden Traum gehabt, in dem ich Kinder sehe, die in Raketen steigen und irgendwo hingeschossen werden, während irgendetwas panisch unverständliches aus dem Funkgerät ertönt. Die Anmutung dieser Träume war zwar eher DDR-Lehrbuch-Illustrationshaft in ihrer Farbe und Form, aber es gab doch erstaunliche Parallelen. Zum Glück führte "Snowpiercer" nicht dazu, dass der Traum wiederkam, denn ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Kind zwei Wochen nachdem ich mal wieder den Traum träumte, ziemlich apathisch durch die Gegend wandelte, während meine Mitschüler ihrem Grundschuldasein frönten.
Ich überlege immer noch, wie ich die Solo-Tour im November nenne. Vorschläge nehme ich gerne entgegen. Aber bitte nix auf englisch. Da komm ich mir als deutsch-singender immer so merkwürdig vor. Russisch gern oder albanisch. Auf der Tour werd ich wohl auch ein paar CDs meiner Covercompilation namens "Welkmänner", die ihr bei Bandcamp streamen könnt verticken. Mit dem lila Kater drauf. Bei Ugly Americans sind die Katzen die Gangster und das ist nur ein Grund warum das eine richtig tolle Serie ist.
Ich hab letzte Woche übrigens oberkörperfrei geraved. In der Villa im Hühnermanhattan. Als Statist für nen Film. Es war gut, das mal gemacht zu haben. Es fühlt sich total bescheuert und nicht befreiend an. Und kalt. Wir sehen uns dann in der echten Welt.
Home is where the Herbst ist. Ihr, Timm Völker
Kommentare
Kommentar veröffentlichen