Dies ist die totale Pergamentwoche - ich, ein dünnes Blatt Papier, schon leicht angegilbt vom Licht der Jahr und langsam vom Regen aufgeweicht und perforiert. Seine Tropfen, die warteten schon seit Monaten auf diese Woche - klopften Nachts ungeduldig wie Finger auf die Fensterbleche - während ich stundenlang schlaflos auf den Gehwegplatten hockte und Geschichten der Wesen um mich in mich fließen, auf meine Pergamenthaut schreiben ließ, ganz durchlässig - bis ich mich entschloß aufzustehen und stolperte, meine Beine nicht spürte und mit den Knien auf den Beton aufschlug - lachen musste, weil meine Beine den Schlaf gefunden haben, während meine Arme, mein Herz und mein Kopf von äußerster Wachheit bestimmt waren.
Eine Wachheit, die mich auch die nächsten Tage begleitete, wach und müde, "I'm so tired/I can't sleep" - hatte wohl zu viel vom zu lang gezogenen Earl Grey Tea. Und aus dieser Wachheit heraus kommt diese Durchlässigkeit - das der Alltag und die weniger alltäglichen Erscheinungen mit gleichem Gewicht schwer auf die Papyrus-Seele tropfen. Die Gesten an der Kasse: Das Ablegen des Korianders auf den Tresen - der Griff in die Tasche zum Geld, die kurze Berührung der Hände zwischen Zahlendem und Händler beim Austausch. Dies zum Beispiel musste ich ganz bewusst ausführen, als täte ich es zum ersten Mal mit großer Anstrengung während ich gleichzeitig gewahr darüber war, dass ich diese Handlungen schon so viele Male vollzogen habe und mich fragte, warum sie jetzt so unsicher oder besser nicht selbstverständlich waren.
Genauso die Entscheidung, was ich sagen sollte, als die Kassenkraft einen einen Moment zu lang auf den Schein und die beiden Münzen schaute, die ich in die Sandsteinschale legte (der Schein nur kurz am Stein raschelnd, die Münzen mit ihrem metallischem Schleifen). Ich sah den Blick der signalisierte, dass der Betrag nicht reichen würde und mich dazu brachte, zu glauben, dass es jetzt endlich soweit ist, dass ich wirklich den Kontakt zur Normalität wirklich verloren habe und nicht mehr zählen kann.
Aber es war die Kassenkraft, die einen Zahlendreher im Blick hatte und mit einem "Ja, das ist okay so" und einem Lächeln die Verwirrung abschüttelte, während ich noch überlegte, zu sagen, dass ich diese Situation kenne, wenn die vertrauten Münzen und Scheine zu Fremden werden, und man plötzlich ihre Sprache nicht versteht, hielt aber an mich, weil ich wusste, dass dieses offene Reden mit Unbekannten zur Pergamentwoche gehört und mich ein paar Stunden später wieder gestört hätte, vielleicht sogar verängstigt in der Nacht hätte aufwachen lassen mit den Gedanken, welche Konsequenzen meine offenen Worte haben könnten. Was bis zur Angst führen würde, endlich vom Schöpfer zur Rechenschaft gezogen zu werden, für Dinge die ich niemals tat, bevor der Schlaf mich für ein paar Stunden entführte.
Das Besinnen auf neue Mantras nach dem zittrigen Erwachen an einem neuen Morgen markiert das langsam nahende Ende der papiernen Zeit, denn mit den Mantras kommt ein Stück Hoffnung zurück, dass "Leben" doch auch wieder normal sein kann, in irgend einer Weise kontrollierbar - was der schwer hustende Arzt am Abend am Tresen bei Barbados-Rum und fränkischem Bier nur scheppernd lachend kommentiert: "...dass es nur mein Wunschtraum sei, irgendwas unter Kontrolle...KCHKCH...zu haben und ich lieber die Kreissäge anwerfen soll, um mit ihm alte Knochen zu zersägen. KCHKCHKCH..."
Und so rutsche ich langsam wieder in die Wirklichkeit zurück, finde Frieden in sinnvollen Dingen, wie dem Sägen oder dem Drehen von Kühlschranktüren. Und weil die Wachheit noch da ist, stelle ich fest, dass es immer wieder Dinge gibt, die man ein erstes Mal im Leben macht und dieses erste Mal nicht wiederholbar ist. Bei mir war es das Drehen einer Kühlschranktür.
Dinge ein letztes Mal tun, dass habe ich schon oft versucht und voller Scham festgestellt, dass es viele letzte Male geben kann, aber nur ein Ende.
TV
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