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Pandemonia 39 - Kunstharzfasern

Ich hatte gestern ganz vergessen zu schreiben, dass ich träumte einen Regenbogen gesehen zu haben. Hätte ja eigentlich zu Michael Jackson gepasst...wie auch immer heute Nacht in alter Manier wieder Reisen in die Vergangenheit gemacht. Genauer gesagt in das nach Schmierfett, Holz und Schweiß riechende Bootshaus meines Rudervereins in Halle Trotha. Das Wetter war sonnig und warm, in die Halle, die voller Ruderboote auf Metallgestellen war, drang allerdings kaum Licht ein. Die Fenster waren über Jahr hinweg von Staub und Spinnennetzen verhangen.

Ich selbst hockte am hinteren Ende dieses Flachbaus aus Beton mit Holzdach unter einem dort gelagerten Wanderruderboot im Dunkel und beobachtete meinen Trainer und eine andere Person, dabei, wie sie verschiedene Rennboote mit Kunstharzfasermaterial behingen, um sie zu reparieren oder zu verbessern. Das ist gar nicht so abgwegig, denn die modernen Boote bestehen aus Ultra-Leicht-Plastik und wenn sie ein Leck haben, was eigentlich sehr selten vorkommt, könnte man sie mit Hilfe mehrer Lagen solcher Fasern wieder flicken. Man bestreicht diese dann mit Kunstharz, der ziemlich benebelnd und beißend ist und nach dem Aushärten ist auf jeden Fall wieder alles dicht und stabil. 

Woher ich das weiß? Ich hatte mal einen Proberaum über einer Werkstatt, die sich auf die Reparatur von Kunststoff Surfbrettern und Booten spezialisiert hatte und das ganz Haus roch nach den Lösungsmitteln. 

Ich beobachtete die beiden, wie sie über verschiedene Boote sprachen und mein Trainer zeigte auf ein Boot, das an der hintern Wand hing. Es war ein Einer in schwarz mit grünen Tribal-Flammen verziert. Der war für ihn reseviert und es hingen bereits grüne Faserbahnen über dem Boot, bereit es zu verbessern. 

Plötzlich sprach mich der Trainer an und fragte mich, ob ich auch dabei sei. Ich kroch zögernd unter dem Boot hervor und sagte, dass ich leider keine Zeit habe, da ich mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren will. Ich schämte mich dabei ein bisschen, weil ich seine Enttäuschung spüren konnte. Gleichzeitig bemerkte ich, dass mein ganzer Rücken und die rechte Seite meines Körpers voller Spinnweben und bereits eingewobener Insekten hing. Ich hockte wohl in einem Spinnennetz, hoffentlich einem bereits verlassenen. 

Ich erkannte einige Hornissen und Wespen zwischen den vertrockneten Leibern. Und auf meiner rechten Hand saß eine Wespe, die noch lebte und gerade ihren Stachel in meine Haut bohrte. Ich bat meinen Trainer um Hilfe und er zog die Wespe heraus, wobei sich der Hinterleib lang zog und der Stachel samt Stacheldrüse in meiner Haut stecken blieb. Ich sah wie die Drüse das Gift in meinem Körper pumpte. 

Mein Trainer meinte, dass er das jetzt schnell entfernen würde, dann passiere nichts. Ich dachte daran, dass ich ja nicht allergisch bin und dann trotzdem morgen Gitarre spielen werde, auch wenn die bereits schmerzende Hand noch anschwellen würde.

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