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Pandemonia 30 - DIY Horror/Schiebetür ins Dunkle

Zuvorderst möchte ich in Kürze darüber berichten, dass ich mich heute erstmalig mit einem Mundschutz auf die Straße begab. Nach mir in den letzten Tagen vor allem ein massiger Mann auffiel, der graden, kriegerischen Schrittes mit Sonnenbrille und Kopfhörern sowie schwarzem Atmenschutz die Straße entlang schritt, zögerte ich ein solches Hilfsmittel aufzuziehen. Mir fiel mein eigener verstörter Blick auf, wenn ich beim Einkauf oder dem Spaziergang jemanden mit Schutz erblickte und schämte mich dann für mein Starren. Also zog ich heute selbst einen über und ging meinen Besorgungen nach. 

Die erste Auffälligkeit war, dass ich mich mehr auf meinen Atem konzentrierte, der hinter der Maske warm und gleichmäßig strömte. Desweiteren hielt ich es, in Anbetracht der Beobachtung des Kriegers nach einer kurzen Anprobe für nicht angemessen meine Sonnenbrille aufzusetzen. Es wirkte übertrieben. Da ich jedoch generell und bei Sonnenwetter das Haus nie ohne Sonnebrille verlasse, werde ich die Maske nur in geschlossenen Räumen tragen. Denn ich bin ein Lover kein Fighter. Glaub ich. 

Den Blicken der Leute wich ich aus. Und mir wurde klar, dass ein Lachen oder Zähnezeigen hinter der Maske von außen nicht sichtbar ist, was die Verunsicherung der Menschen ausmacht, die ich ja auch an mir selbst beobachtete. Man kann das Gegenüber einfach nicht deuten. Und ich bin scheinbar auch (noch) schwieriger zu verstehen, denn beim Bäcker rundete ich den Zahlbetrag für das Süßgebäck auf, aber die Verkäuferin gab mir trotzdem das passende Rückgeld.

*

Heute Nacht war mal wieder einer dieser Tage, an denen ich nach dem Erwachen nicht sicher war, ob das Geträumte real oder nicht ist und ich dadurch in höchste Bredouille und Stress geriet. Denn ich träumte, von meiner etwas widerwilligen Teilnahme an einem DIY-Synthie-Noise Wettbewerb, bei dem verschiedene Menschen sich erst unter Anleitung findiger Löter einen Krachmach-Synthesizer zusammenschraubten, um darauffolgend gegeneinander mit Liedern oder Klanginstallationen anzutreten. 

Das Ganze mit einem weniger kompetitiven als unterhaltendem Charakter. Ich hatte eigentlich gar keine Lust, war aber aus irgendeinem Grund verpflichtet dort mitzumachen. Wahrscheinlich hatte es Gründe der Aufmerksamkeit und Öffentlichkeitsarbeit. Vor dem Wettbewerb betrank ich mich und stotterte dann irgendetwas zurecht, während ich auf die Tasten eines Gerätes drückte, das ich nicht mal selber zusammegebastelt hatte. Kurz gesagt, ich schummelte mich durch und sah in den nicht von Mundschutz bedeckten Gesichtern der Veranstalter und Teilnehmer, die ich größenteils kannte, Widerwillen, Scham und Ablehnung. 

Nach dem ich meine schlechte Performance hinter mich brachte und in meiner späteren Erinnerung auch peinliche verbalte Übergriffe tätigte, taumelte ich von dem mit einer roten Backsteinmauer umfriedeten Hofkomplex und näherte mich, es war bereits dunkel, einem Penny-Markt. Dieser war offensichtlich geschlossen, doch ich und ein unbekannter Begleiter kamen in den Markt hinein. Die Automatiktür öffnete sich und bot uns die unbeleuchteten Waren des Marktes feil. 

Wir zögerten erst und wunderten uns, dass wir scheinbar die ersten waren, die die Offenheit entdeckten. Dann nahmen wir uns, was uns gefiel, trotz allem mit einem Gefühl der Scham und des Falschen behaftet. Beim Verlassen sagte der Begleiter, er habe den Filial-Schlüssel gefunden und damit auch die Möglichkeit die Alarmanlage zu aktivieren und die Tür zu verschließen. Wir überlegten, ob wir dies tun sollten, entschlossen uns aber den Markt offen und damit allen zugänglich zu machen.

Beim ersten Erwachen furchtbare Angst, die Karriere durch dummes Auftreten und das Leben durch einen Einruch und fahrlässiges Zerstören fremden Eigentums versaut zu haben. Mindestens 15 Minuten Unsicherheit darüber, ob dies jetzt wirklich geschehen sei oder ein Traum.

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