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Pandemonia 19 - Mittagsheiligabend/Fäkaliengeisterbahn

Ich saß mit meiner Familie in einer ziemlich aktuellen Inkarnation der elterlichen Wohnung am Küchentisch. Es war der Mittag des heiligen Abends und es wurde eine Speise eingenommen, da sich die Familie seit längerer Zeit nicht sah, wurde mit Sekt angestoßen. Mutter sprach einen Toast darauf aus, dass wir alle hoffentlich mit den Mietzahlungsproblemen zurecht kommen. Ich opponierte daraufhin mit dem Satz: "Also ich habe keine Mietprobleme." Mutter fühlte sich provoziert und ich zog es vor den Tisch zu verlassen. Ich wollte die Zeit bis zur Bescherung am frühen Abend mit einem Spaziergang durch die Stadt verbringen. 

Davor musste ich aber noch einmal die Toilette aufsuchen. Ich entleerte mich musste jedoch festellen, dass die Fäkalien nicht abflossen. Aus diesem Grund versuchte ich sie zuerst mit Hilfe eines Toilettenpapiers kleinzustoßen, war dann aber gezwungen sie dafür aus der Toilette zu nehmen. Dabei verschmierte ich Kot auf dem Fußboden. Als ich dann den zerkleinerten Kot und das Toilettenpapier mit dem ich die Schmierspuren aufnahm in die Schüssel gab, floss der Brei immer noch nicht ab. Dann entdeckte ich eine kleine Klappe hinter der ich die Verstopfung vermutete. 

Dort sah ich, dass der Kot eines anderen das Abfließen verhinderte. Nach kurzem Zögern überwand ich mich, diesen Kot anzugreifen und mit der Hand aus der Abflussöffnung zu entnehmen um ihn ebenfalls klein zu drücken. Dabei stellte ich anhand der Färbung fest, dass dieser Mensch Mais und Gemüse gegessen haben muss. Meine Versuche trugen Früchte und der Abfluss war wieder frei. Ich wusch mir die Hände und dachte darüber nach, ob das in dieser Situation ausreichen würde. 

Dann verließ ich die Wohnung und stieg in die Straßenbahn, die in Richtung Halle Trotha fährt. Dort fuhr ich selten hin. Aber ich tat es an diesem Heiligabendmittag. Die Straßenbahn hatte die Liniennummer 60, die es in Halle gar nicht gibt. Den ersten Teil der Strecke kannte ich, als die Straßenbahn aber plötzlich in eine verfallene Seitenstraße einbog, die sehr schmal und rechts und links von alten zweistöckigen Backsteinfabrikgebäuden und Lagerhallen gesäumt war, fragte ich einen anderen Passanten, wohin denn diese Linie fahre. Er sagte mir, wir würden jetzt durch das verbotene Gebiete fahren um bis zur Endhaltestelle zu gelangen. 

Ich saß auf dem Platz ganz vorn rechts direkt hinter der Fahrerkabine. Die Bahn fuhr weiter die Straße entlang und bog um sehr enge Kurven bevor sie in ein sehr großes baufälliges Gebäude einfuhr. Es war sehr dunkel innerhalb des Gebäudes und die Straßenbahn war plötzlich unsichtbar, so dass ich und die anderen Fahrgäste in der Luft saßen und durch das Gebäude gleiteten. 

Die Stimme die die Haltestellen ansagt, teilte mit, dass wir uns nun auf den gefährlichen Teil der Stadt zubewegten, wo die Aussätzigen ihr Dasein fristen. Es sei schlimm, aber auch hier in diesen lichtlosen Brachen würden Menschen hausen und es sei nicht angeraten auszusteigen. Sollte man es doch müssen, sei es sehr wichtig mit erhobenem Kopf zu gehen, damit die Aussätzigen keine Schwäche erkennen könnten und zum Angriff übergehen würden, was sie stets grundlos tun würden. 

Im Inneren des Gebäudes waren Mauern eingestürzt. Es lagen Bauschutt, Müll und Überreste von Maschinen herum. Die Schienen waren auch kaum noch zu sehen und ich wunderte mich, als die Straßenbahn eine nur noch in ihren Grundmauern vorhandene Betontreppe nach oben kroch. Ständig war auch die Angst im Raum, dass die Straßenbahn stehen bleiben könnte und von den angeblich hier lebenden, von denen ich während der Fahrt durchs Dunkel auch am Rand der Scheinwerfer der Bahn keinen sah, angegriffen werden könnte. 

Wir kamen auf der anderen Seite des Gebäudekomplexes wieder heraus und fanden uns in einem Neubaugebiet mit Grünflächen wieder. Diese Wiesen waren dunkelgrün und von neun-geschossigen Plattenbauten umgeben. Der Himmel war grau. Überall saßen oder standen die Bewohner, an denen ich nichts aussetziges erkennen konnte und die mich an die typischen Bewohner solcher Bauten, wie ich sie kennenlernte, erinnerten. 

Mütter mit Kinderwagen, Jungs in Jogginganzügen und Kapuzenpullovern. Ich nahm ihr aggressives Verhalten untereinander und gegenüber der unsichtbaren Straßenbahn war. Einer der Jungen, mit einem schwammigen Gesicht unter einer blauen Kapuze, nahm einen Gehwegstein und warf ihn mit den Worten "Wir wollen euch hier nicht" gegen die Frontscheibe der Bahn.

Gedanken im Nachgang: Die Kotsequenz erinnert mich an die schon öfter erwähnten Träume in denen ich Autos fahre, die stets irgend einen Defekt oder eine Fehlkonstruktion haben, was mir das Fortkommen sehr erschwert. So gibt es auch den wiederkehrenden Toilettentraum, in dem das WC verstopft oder auch beim Stuhlgang verschwindet, sich verformt, locker ist oder eine Form hat, die eine Benutzung unmöglich macht. All diese Toilettenträume spielen in der Toilette meines Elternhauses.

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