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Pandemonia 10 - Zuhause bei Touristen

In einem verfallenen Haus in einer verfallenen Straße, die aussah als befände sie sich im London des Industriezeitalters lebten ein Junge und ein Mädchen. Ich war bei ihnen zu Besuch, es schien mir fast wie ein Urlaub. Die Gebäude waren verfallen, aber die Sonne schien und die verwilderteren Hinterhöfe waren Grün. Das Zimmer in dem wir uns aufhielten hatte eine Fensterfront und Tür zu dem, was einst eine Terasse war und jetzt fließend in die Gärten dahinter überging. 

Dort und hier drin waren auch Katzen. Eine grau/braun gestreifte, eine schwarz-weiße und eine schwarze Katze. Die gestreifte und die schwarz-weiße waren jünger. Die schwarze männlich und älter. Sie konnten reden oder zumindest konnten wir ihre Handlungen deuten. Die eine der jüngeren Katzen warnte die andere den schwarzen Kater nicht anzusprechen. Sie tat es dennoch und der Kater erklärte ihr, dass nur die stärksten überleben und begann nach einigen philossophischen Ausführungen damit, der Katze seine ins Gesicht zu schlagen, während sie sich gegenüber saßen. Dann würgte er sie und und schlitze sie langsam auf und in den Augen der sterbenden jungen Katze war ein Ausdruck des Erstaunens zu sehen. 

Der Junge und das Mädchen hießen das nicht gut, taten aber auch nichts dagegen. Sie brachten den toten Körper in den Garten hinter dem Haus. Ich ging mit ihnen und stellte fest, dass sich dort über mindestens 500 Meter nach links und rechts ein mit Gras und Sträuchern überwucherter Hang erstreckte. Auf meine Frage, was sich dahinter befinde, meinten beide, wir können ja mal hochtsteigen. Wir taten dies ohne größere Anstrengung. Während der Hang auf der Hausseite steil anstieg, fiel er auf der anderen Seite nahzu senkrecht herab und gab den Blick auf ein sehr breites Flusstal und eine Ebene grüner Felder frei. Links streckte sich in einiger Entfernung eine große Metallbrücke darüber. 

Der Hang war aus Sandstein und an der Kante konnte ich erkennen, das dieser sehr porös war. Ca. 30 Meter unter uns schwammen Kinder und Jugendliche im Wasser. Während der Junge auf einem instabilen Vorsprung stand und das Mädchen und ich weiter hinten, nahm ich beide bei den Händen und sprang unvermittelt in das Wasser. Beim Sprung nach unten sah ich, dass im Wasser große Steine lagen und zog das Mädchen im letzen Moment ein Stück nach links und zu mir und verhinderte so, dass sie auf den Steinen aufschlug. Wir tauchten tief in das Wasser ein. Ich dachte noch daran, schnell nach oben zu kommen um wieder zu atmen, stellte aber fest, dass ich auch unter Wasser schon Luft holte. 

Wir stiegen wieder aus dem Wasser und waren zurück in ihrer Straße als wir Musik hörten. Genauer gesagt den Klang einer E-Gitarre über einen Marshall-Verstärker. Jemand spielte das Lied "Should I Stay Or Should I Go" von The Clash. Die beiden sagten mir, dass in einem der Keller in den Häusern gegenüber eine Band probe und dort immer Parties gefeiert werden. Wir gingen hin und fanden uns in einem schmutzigen Raum mit ca. 10 anderen Jugendlichen wieder, die um eine Gruppe Musikerinnen und Musiker stand. 

Die Sängerin trug eine große Brille und mutete wie eine klassische Streberin aus einem amerikanischen Film. Sie sang in einen kleinen Gitarren-Verstärker, was ihre Stimme verzerrte und trat gleichzeitig mit einer Fußmaschine eine zur Bassdrum umfunktionierte Snare. Um sie herum standen ein weiteres Mädchen und zwei Jungen, die Bass, Gitarre und noch etwas spielten. Nach dem sie ein Lied beendet hatten, tauschten sie die Instrumente. Das sei ihr Konzept sagte das Mädchen. Einer der Jungen schwitzte und war nicht sehr begeistert, dass er jetzt ans Schlagzeug müsse, weil das bei diesen heißen Temperaturen sehr anstrengend sei. 

Ich erinnere mich noch weiter durch das Viertel mit dem Jungen und dem Mädchen gegangen zu sein. Dabei merkte ich, dass ich was mir anfangs fremd erschien und mich zu gewisser Vorsicht und Zurückhaltung trieb, mich jetzt immer neugieriger machte und die Souverinität die ich im Handeln der anderen beiden, mit dem Ort vertrauten, wahrnahm stark abmilderte. Fast als sei ich plötzlich der Fremdenführer.

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