Direkt zum Hauptbereich

Pandemonia 57 - Wiesengang/Gestank

Mein Kopf ist ein wenig leer. In der Nacht war viel los darin, doch seit ein paar Tagen ist es wieder so, dass ich mit dem Augenaufschlag des Erwachens alles sofort vergesse. Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich mich mit GG Rising, er trug kurze Hosen, in einem ganz kleinen Bungalow in der Steppe befand. Die Wände waren beige, es war wohl Tapete und wir saßen an einem dieser weißen DDR Küchentische. Draußen schien die Sonne. Und wir sprachen. Und ich glaubte, dass es wichtig war. Aber genau weiß ich es nicht. Und so gehe ich erst einmal in den Tag. Der vorgestrige Tag war im Übrigen der Tag der schlechten Gerüche. Ich begab mich auf Anraten eines Mannes auf die Suche nach einer Wiese. Überall wo ich entlang ging, stank es aus Boden und Gewässern. Es lag nicht nur am Bärlauch, der gerade verblüht und sich dem Prozess der Verwesung hingibt. Ich hatte zwischenzeitlich die Ahnung, dass der Geruch aus mir selbst kommen könnte. Ernährte ich mich falsch? Ließ ich mich so sehr gehen, dass der Fäulnisprozoess bereits eingesetzt hat? Diese Gedanken beherrschten mich auf einem Waldweg, der mich, wie ich hoffte zu einer Wiese führen sollte. Mücken umschwirrten mich und nach jeder Kurve wunderte ich mich, warum das Ziel noch nicht zu sehen war. Als dann schließlich Licht am Ende des Weges durch die Blätter brach, wusste ich, dass ich es geschafft hätte und zog bereits hier meine Schuhe und Strümpfe aus. Der Gestank verstärkte sich nicht wie befürchtet. Der Boden kitzelte unter meinen Fußsohlen und ich ging vorsichtigen Schrittes voran. Beim Erreichen der Wiese musste ich feststellen, dass dort kein weiches Gras sondern nur kniehohes Gestrüpp aus einem trockenen aufgebrochenen Boden wuchs. Zudem drang aus einer Ansammlung von Sträuchern ein eindeutig animalischer Verwesungsgestank. Ich versuchte nichts desto trotz die Kraft der Erde über meine Füße in mich dringen zu lassen. Zog es aber vor einen kleinen Trampelpfad zwischen dem Gesträuch entlang zu gehen und nicht querfeldein. Dabei bemerkte ich erneut, wie trocken der Boden war und sah, dass die Farbe meiner Füße denen der staubigen Erde glich. Nach ca. einhundert Metern erreichte ich wieder die Waldgrenze, sah unter mir die Überreste eines Zaunes und zog mein Schuhwerk wieder an. Auf dem Weg zurück durch die Straßen wieder Gestank. Ich werde es aber noch einmal probieren mit dem barfüßigen Lauf durch Wiesen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

#412 Atemschrei

Seit 10 Jahren kehrte er das Treppenhaus eines Buchlagers. Ein alter Plattenbau mit Stufen aus glattem Beton und definierten Winkeln und Kanten. Nicht wie die ausgetretenen Holzstufen im Nebengebäude der Tierpathologie, in der er vorher angestellt war. Den Dreck dort aus den Rissen und Fugen herauszubekommen, dauerte Stunden. Aber hier auf dem Beton fühlte es sich an wie ein Tanz, wenn er den Besen in sanften Wellen über den Boden schwang. Auf dem Weg dort hin und zurück kam er jeden Tag an einem kleinen Geschäft vorbei. Lange Zeit war es ein Imbiss, betrieben von einer Frau und einem Mann, die Filterkaffee, Cola in Dosen und zwei Sorten Flaschenbier verkauften. Dazu ganz akzeptable Pommes aus einer in die Jahre gekommen kleinen Fritteuse.  Als er sich entschloss, mit den beiden einmal mehr Worte zu wechseln, als "Eine Cola, bitte."   - "1,20" und "Stimmt so." teilte ihm die Frau mit, dass sie in zwei Wochen endgültig schließen - Rente. Beide hatten bis z...

#411 Lachwald

Die nassen Blätter der Bäume im Wald hängen tief, so tief, dass sich Silvio entscheidet, den Arm zu strecken und sie zu berühren. Eine Entscheidung bewusst treffen, sie in Signale umwandeln, die den Körper eine Handlung vollziehen lassen, geben ihm das Gefühl ein wenig Kontrolle über sein Leben zu haben. Er sieht den Menschen, die ihm entgegenkommen ins Gesicht. Er lächelt sie an. Irgendwann hat er damit aus einer Laune heraus angefangen und jetzt wird er diese Gewohnheit nicht mehr los. Früher, war er dafür bekannt, finster drein zu blicken. Wie oft sagten die Menschen zu ihm: "Lach doch mal." Aber es ist ja klar, dass "Lach doch mal" - das letzte ist, was einen dazu bringt, zu lachen, also wirklich zu lachen oder zu lächeln und nicht nur die Mundwinkel nach oben zu ziehen, bis die Zähne zu sehen sind und man aussieht wie ein perverser Clown.  Eigentlich, und daran erinnert sich Silvio immer wenn er lächelt, ist lachen nur ein evolutionäres Überbleibsel einer Verte...

#410 Bibelfliege

Steve sitzt an seinem Küchentisch. Der Tisch ist aus einem hellen Holz gefertigt, er hatte ihn gebraucht gekauft, einige dunkle Verfärbungen, dort wo schon vor ihm jahrelang Menschen ihre Arme abgelegt hatten. Erst beim Essen und später auch die Köpfe nach langen Trinknächten. Da sind auch Kerben, wo rohes Fleisch und Zwiebeln direkt auf dem Holz geschnitten wurden. Vielleicht sogar, so denkt er sich, hat auf diesem Tisch mal jemand Buchstaben aus einer Zeitung für einen Erpresserbrief mit dem Teppichmesser ausgeschnitten und dabei kleine Kerben hinterlassen.  Er fährt mit seiner Hand über den Tisch. Hinter ihm fällt flaches Sonnenlicht durch das Fenster. Die Blätter der beiden Bäume auf dem Hof verlieren langsam ihr Grün, aber der Wind ist noch nicht stark genug, sie von den Ästen zu reißen. Neben dem Tisch hängt ein Schrank, der zu der ebenfalls gebrauchten Einbauküche gehört, die Steve einer Frau abgekauft hat, die aus ihrer Stadtwohnung aufs Land zog. "Aus gesundheitlichen Gr...