Ich trage Holzfenster mit Iso-Glas aus einem LKW in einen Garten. Die Fenster sind gebraucht, die Rahmen sind an den Unterseiten gesplittert. Es sieht aus, als wären sie in Eile herausgebrochen. Mitnehmen, was man greifen kann. Mit Brecheisen, deren roter Lack zu großen Teilen abgeblättert ist. Dort wo jahrelang Hände griffen, hat Schweiß das Material samtig glatt werden lassen. Und wer so ein Werkzeug benutzt, wird den metallischen Geruch noch lang an seinen Händen tragen. Wo die Fenster herkommen, ist mir nicht bekannt. Aus einem der Vororte vielleicht.
Der Garten befindet sich in einem Randgebiet und grenzt an eine Brachfläche von denen es hier immer weniger gibt. Inzwischen sind die meisten mit Neubauten bepflanzt getrieben von der Idee schmuckloser klarer Formen als bauliches Abbild eines effizienten geradlinigen Lebens. Diese Idee wandelt sich im Alltag recht schnell in Beklemmung. Das Auge kann sich nur an scharf geschnittenen Flächen und Winkeln orientieren und jede klare Ecke, die nicht einsehbar ist, kann eine neue Gefahr hinter sich verbergen. Die Kanten an den Metallstufen im Treppenhaus spürt man auch durch die dicksten Sohlen. Und wenn die Brachflächen nicht mit solchen Gebäuden zugestellt sind, wird ihnen offiziell die Funktion eines Erholungsgebiets zugewiesen. Wege werden gezogen, Bäume gepflanzt, Bänke gestellt und für die Hunde gibt es auch eine Wiese. Meist gibt es die Wege in Form von Pfaden schon vorher.
Auch Bäume sind über die Jahre auf den Schutthalden gewachsen. Hier in der Gegend sind es meist Birken, deren weiße Rinde bei niedrig stehender Sonne anfängt zu leuchten. Und wenn der Wind durch die Blätter geht und sie sich dadurch schnell wechselnd von der grünen Oberseite auf die silbergraue Unterseite drehen und ein Flirren entsteht, wie auf der Oberfläche von Gewässern, dann bleiben die Tiere und Menschen, die das Brachland auf schmalen Pfaden durchkreuzen, stehen und staunen.
Doch der Reiz des Unfertigen, der diesen Brachflächen innewohnt, geht mit ihrer Umwandlung in offizielle Parks verloren. Merkt man erst im Nachhinein. Es ist dasselbe Phänomen wie bei Beziehungen. Etwas Ungewissheit verschwindet, wenn man beginnt, die Interaktion mit einem anderen Menschen zu definieren. Sicherlich gewinnt man Form hinzu, aber mit der Form kommen auch Erwartungen an diese: Verlässlichkeit, Verständnis, usw. Selbst wenn diese Bestandteile der Form schon vorher da sind, genau wie die Sträucher und Schotterhügel hier auf dem Brachland, so wird die Benennung, die Definition, etwas von der Unschärfe und der Offenheit nehmen. Ich nehme das letzte Fenster und trage es in den Garten.
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