Mir wurde mal gesagt, es lohnt sich nicht, auf den vermeintlich richtigen Moment zu warten, Dinge zu tun oder sie sich aufzusparen für einen Zeitpunkt an dem es sich wirklich lohnt...zum Beispiel ein Eis essen. Deshalb gehe ich aus der Tür und hole mir eine Kugel Oreo-Eis und laufe die Straße runter. Es regnet und ich stelle fest, dass ich vorher noch nie ein Eis im Regen gegessen habe. Nach dem Eis kommt dann der Durst und ich gehe die selbe Straße auf der anderen Seite zurück.
Ich betrete meine Räumlichkeiten und lasse mir aus dem Wasserhahn etwas Wasser in ein Glas und bevor ich es trinke, wundere ich mich mal wieder über die Selbstverständlichkeit mit der das trinkbare Wasser aus der Leitung kommt. Und während ich das Glas an den Lippen habe und das Wasser schlucke, frage ich mich, wie lang das noch so gehen wird und die Zivilisationsangst überkommt mich. Es kann auch eine Angst aus Langeweile sein. Denn ich habe ja eben ein Eis essen können, einfach so. Ich habe Münzen in der Tasche und kann ohne Gefahr zu der Eisdiele gehen und aus mehreren Sorten auswählen. Und das Wasser kommt aus dem Wasserhahn, einfach so. Und ich habe Zeit darüber nachzudenken.
Dass es unsere Gesellschaft so weit gebracht hat, ist schon erstaunlich und eigentlich ein Anlass für große Freude. Aber statt einer Zufriedenheit entsteht in mir ein Unfrieden und die Ahnung, dass das eigentlich Schöne in dem wir existieren, jeden Moment vorbei sein kann. So wie das Glück, das flüchtig ist. Fängt man an, es zu spüren, ist es schon wieder weg. Und ich frage mich auch, während ich den zweiten Schluck aus dem Wasserglas nehme, wie lange diese Gesellschaft noch funktionieren wird.
Denn: Ist der Haufen an Individuen mit individuellen Wünschen und Bedürfnissen und dem Wunsch nach Umkümmerung überhaupt noch eine Gesellschaft? Und wenn sich um alle gekümmert werden soll, wer kümmert sich dann um die Gesellschaft. Während ich weiter darüber nachdenke, tauchen solche Sätze auf wie: "Das Individuum muss im Sinne eines höheren Ziels für die Gemeinschaft sich selbst zurück nehmen." und das klingt doch schon sehr totalitär und das will in Wirklichkeit niemand. Alle wollen in Freiheit leben.
Und doch wird mir in dem Moment, als ich das leere Wasserglas noch einmal Fülle, klar, was das uns alle vereinende Ziel unserer Gesellschaft ist: Der Konsum. Ob Schallplatten, Garnelen, unplattbare Reifen, Schlagringe, Leinenhosen oder Oreo-Eis. Alle wollen ihn, alle führen ihn aus und er sorgt dafür, dass hier alles so weiterläuft. Das ist die Geschichte. Und die wird solange weitererzählt, bis es nichts mehr gibt, dass konsumiert werden kann. Und selbst dann noch, wird irgendwo in einer von einer atomaren Staubwüste umgebenen Blechhütte in Sachsen-Anhalt die Legende erzählt von der Zeit in der man aus der Tür gehen und sich ein Eis aus Milch, Sahne und Keksen für Geld kaufen konnte. Ich fülle mein Glas noch einmal mit Wasser, trinke es in einem Zug aus und gehe mir irgendwas kaufen.
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