Sich vorzustellen ein Waschbär zu sein, ist recht verlockend: Den ganzen Tag in der Baumkrone einer Eiche abhängen, der Ast auf dem man döst, schaukelt leicht im Wind, in der Dämmerung dann langsam nach unten Klettern und in der Kleingartensiedlung gegenüber, einen kompletten Kirschbaum leer fressen. Mit etwas Glück sind sogar ein paar Maden in den Früchten und der Proteinbedarf ist auch mit abgedeckt. Dann vollgefressen wieder runter und erstmal wieder ein Nickerchen. Entscheidend ist doch aber, ob man dieses wunderbare Leben als Waschbär überhaupt realisiert. Eigentlich geht das nur, wenn der Mensch, der ein Waschbär sein will, mit seiner vollständigen Fähigkeit zu denken in den Waschbär hineinversetzt wird. Denn als Waschbär allein, ist einem nicht klar, dass man Waschbär ist und was man für ein herrliches Waschbärleben hat. Das geht nur mit der menschlichen Vorstellungskraft und Fantasie, die in die Lage versetzt, sich alternative Existenzmöglichkeiten zu erdenken. Und das klingt sofort nach wissenschaftlichen Experimenten mit Gehirntransplantationen und ich sehe einen Waschbär, dessen Schädeldecke aufgesägt und durch eine Salatschüssel aus Metall vergrößert ist, und in der ein menschliches Gehirn hin und her schwappt. Darauf dann ein transparenter Deckel. Und wie bitte soll man mit so einer Schüssel auf dem Kopf auf Bäume klettern ohne sich das Gehirn durchzuschütteln? Ein spiritueller Ansatz wäre besser, eine Seelenwanderung in einen neuen Pelz. Und vielleicht ist das mit dem fehlenden Bewusstsein dann auch gar nicht so schlimm. Denn genau diese beschränkte, unwissende Existenz des Tiers, dass gar nicht weiß, was es ist, ist doch sehr attraktiv. Es nimmt einem viele Probleme, die mit dem menschlichen Denken einhergehen. Man ist einfach und isst Kirschen im Kleingarten Eden.
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