Ich zähle Gegenstände und höre ein dumpfes Klirren und Scheppern. Ich zucke zusammen, denke sofort an Geister, die mir Zeichen geben. Ganz konkret an den Geist von Wolfgang Herrndorf. Denn wenn der Wind und die Zugluft durch die Räume wehen, in denen ich mich gerade befinde, glaube ich, dass es der Geist des Herrndorf ist. Ich habe das mal so fest gelegt, als ich gerade eins seiner Bücher las. Ich gehe sofort, sehr vorsichtig durch die Räumlichkeiten und sehe, dass ein Kühlschrankgitter voller Bierflaschen auf einer Seite abgerutscht ist. Die Flaschen drängen sich von innen an die Glastür. Ich öffne sie ganz vorsichtig und lasse einig der Flaschen auf Decken fallen, die ich vor der Tür auf dem Boden gelegt habe. Es funktioniert. Und ich beruhige mich wieder. Die Geisterfurcht begegnete mir in den letzten Wochen häufiger und eben nicht nur in der Nacht im Halbschlaf, als Gefühl, dass etwas im Raum ist, dass ich nicht sehe, aber dessen Präsenz ich spüre. Nein, auch tagsüber fallen Dinge unvermittelt um, rollen über den Boden oder verschwinden und tauchen an einer anderen Stelle auf. Ich nehme es hin und denke an die Geister, deren einzige Möglichkeit Kontakt aufzunehmen, darin besteht Dinge umzuwerfen. Was wollen sie mir mitteilen? Ich hoffe nichts böses. Ich denke meist, dass es verstorbene Verwandte sind, die zeigen wollen, dass sie noch da sind. Was jedoch, wenn sie beginnen sich zu langweilen und aus dieser Langeweile eine Boshaftigkeit wird?
Ich hänge den Überlegungen noch etwas nach, während ich durch die sonnengetränkten Straßen wanke. Ich bin erfüllt von der Vorstellung, dass die in mir vorherrschende Freudlosigkeit, also die Tatsache, dass kein Gedanke an kommende Tätigkeiten ein Gefühl von Vorfreude, Motivation oder sonst etwas auslöst, ab jetzt für immer bleibt. Dass ich die Dinge einfach hinnehme, tue und dann zur nächsten Aufgabe schreite. Freude nur als etwas kenne, dass ich bei anderen Leute erahne. So kann man doch nicht leben. Oder gerade doch? Und ich komme an einem Balkon vorbei, der voller Kräuter ist und nicke einem Mann zu, der sie gießt. Er nickt freundlich zurück und ich werde ruhiger, kann der Vorstellung von Aufgabe zu Aufgabe zu schweben etwas abgewinnen. Die tief stehende Sonne wärmt meine Haut, ich schließe beim Gehen kurz die Augen und denke: Ich bin einfach ein Geist. Da und nicht da. Und so gehe ich weiter in die Dämmerung bis Nacht aus ihr wird und begegne einem anderen Geist, der schon ein Stück weiter in die andere Welt geglitten ist. Ich hocke mich neben ihn, er kennt noch meinen Namen und berichtet mir von der einfachen Erkenntnis, nur noch dafür sorgen zu müssen, genug Tabak und Bier zu haben. Als sich mein Harndrang steigert, sage ich ihm, dass ich weiter müsse, auf eine Toilette. Und er verabschiedet sich mit den Worten: "Geh nur, geh dort nur hinein und pinkle. Ein schwarzes Loch wird sich auftun und du fällst direkt in ein Konzentrationslager."
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