Eben gerade auf der Straße, nachdem ich spürte, wie die Kälte stetig in die Glieder kriecht, sah ich eine Frau, die mich einst nach einer Blume fragte. Ich hatte damals gerade welche gekauft, wie ich es oft ohne besonderen Anlass tue. Ich stelle sie mir hier und erfreue mich an ihrer Farbigkeit, Form und Vergänglichkeit. Sie sind allein dafür bestimmt, schön zu sein und ihr Ende ist vorhersehbar. Ihre Tage sind gezählt, abzählbar. So wie deine, so wie meine. Nun also hatte mich diese Frau, die sonst nur nach Geld oder Pfand fragt, während sie mit kleinen Schritten durch das Viertel zieht, nach meinen Blumen gefragt. Sie sagte, wie schön sie seien und ob sie nicht eine haben könne. Ich zögerte nicht sondern gab freiwillig eine Blume ab. Ich glaube es waren Nelken. Die einfachen von Aldi.
Daran musste ich denken, als ich sie eben vor mir sah mit ihrem kleinen Rollwagen, den sie hinter sich herzog. Er schepperte, woraus ich schloss, dass sie gerade einige Pfandflaschen sammelte. Ich dachte darüber nach, ob ich wohl auch mal so alt werde wie sie und was ich dann machen würde, wovon ich existieren würde. Von der Gnade meiner Mitmenschen? Das tue ich auch jetzt schon, bisher, so meine Wahrnehmung aber auf Kosten der älteren Menschen, die mich umgeben. Angefangen bei meinen Eltern, über ältere Freunde und Freundinnen bis hin zu Gönnern, waren es stets die alten die ihre Gnade walten ließen. Freilich tat ich auch was für mein Geld, für meine Wohnstätte - das ist ja das Prinzip, nachdem das Leben hier funktioniert. Leistung sichert Existenz. Im Moment existiere ich recht wohlfeil, um noch ein paar mehr alte Worte hier unterzubringen. Aber ich frage mich, wie lange noch. Und vor allem, was passiert wenn die Alten mal nicht mehr sind? Sollte ich gar lernen auf eigenen Beinen zu stehen?
Ich habe es ungefähr gelernt, aber muss auch feststellen, dass ich dank eines sozialen Netzes existiere. Völlig autark geht es nicht. Und ich stellte fest, dass immer mehr junge Menschen in mein Leben treten. Ich habe mit jüngeren zu tun. Und als ich die Frau mit den kleinen Schritten sah, dachte ich, ich täte gut daran, die Gnade der jungen zu erwirken. Das sind völlig neue Gedanken, die so erst dieses Jahr aufgetreten sind.
Ebenfalls erst dieses Jahr stelle ich an mir selbst fest, dass ich viel häufiger über Geld rede. Dabei ensteht in mir ein Unwohlsein, gerade im Zusammenhang mit Verhandlungen für Auftritte. Einerseits bin ich verfechter davon, dass ein Musiker gut bezahlt werden muss, andererseits kann ich selbst immer noch nicht einschätzen, ob dieses "gut" ein warmes Essen und ein Bett oder 500 Euro + Anfahrtskosten bedeutet. In anderen Ländern, zb. Frankreich gibt es, so hörte ich für Musiker feste Gagensätze. Aber ich merke in diesem Moment schon wieder, dass mir das Reden darüber unangenehm ist. So als würde ich etwas entzaubern.
Dabei arbeite ich doch gerade wieder an der Verzauberung. Zum Beispiel durch das Tragen eines Hutes und weniger Worten bei Konzerten. Dann aber gab es einen Moment, als eine Zuschauerin am Wochenende meinte, nachdem ich sagte, ich werde nicht "Sieg Heil" sagen: "Wenn du es auf deine völkische Art tust, darfst du alles sagen und singen". Diese Situation war so absurd, dass ich für einen kurzen Moment aus der Wirklichkeit herausgerutscht zu sein schien oder mindestens nicht mehr wusste, was Worte und Mimik bedeuten. Etwas verwirrt startete ich dann in das nächste Stück und hatte einen Blackout an einer muskalisch etwas heiklen Stelle, es war ungefähr so, nur auf Finger und Saiten bezogen:
Als ich nach dem Konzert, nicht direkt nach dem Fehler, mir vertraute Personen fragte, ob sie die Schande mitbekommen hätten, beteuerten sie, dass es nicht so schlimm gewesen sei. Ich fand schon. Das mit dem Hut bleibt auch vorerst experimentell. Schließlich sollen sich die Menschen ja mein Gesicht merken, wenn sie mir in Zukunft Blumen schenken, wenn ich sie nach Geld frage.
Prekär Royal
TV
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