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Das Spiel mit dem Krokodil

Es hat sich eingeschlichen, dass ich gegen 5 oder 6Uhr morgens erwache, mich nicht erhebe, so denn ich mich gebettet habe, sondern herumliege und Gedanken mich beschleichen. Solche, die sich im Dunkel der Nacht und Dämmerung bedrohlich gebaren und meinen Brustkorb verengen. So liege ich dann wach, bis es hell wird. Mit der Helligkeit verlieren die Gedanken ihre Drohkraft und ich falle zurück in einen Schlaf, der geprägt ist von vielen kleinen Träumen. 

Da habe ich von Hamburger Straßen geträumt oder von einem Beat, der ein Detail besaß, dass für sich genommen störend war, im Gesamtkontext des Groove diesen zum Schwingen brachte. Und Schwung, das mag man bei Musik. Element dieses Traums war es dann aber, dass eine Stimme mir die philosophische Unterbodenbeleuchtung solcher Elemente verdeutlichte. Die Stimme sagte: mit solchen "störenden" Elementen, ist es wie mit dem König und dem Volk. Er muss streng oder auch mit Gewalt regieren, das Volk in seinem Frieden stören, damit ein harmonisches Gesamtbild entsteht. Im Halbschlaf entstehen dann solche Theorien in meinem Schädel, wo von Musik-Prinzipien auf Gesellschaftszusammenhänge geschlossen wird. 

Im Schlaf ergibt das häufig Sinn und ich fühle mich, als ob mein wie auch immer geformter Gott mir etwas einflüstert. Jetzt, wo ich es aufschreibe, erscheint es mir nicht ganz so sinnfüllend, jedoch denke ich, dass ich es nicht ganz genau wiedergeben kann. Was ich noch ganz genau weiß, weil es erst ein paar Stunden her ist: ich hab vom Kroko-Doc-Spiel geträumt. Ihr wisst schon, dass Spiel mit der doch recht penetranten Werbung, wo Kinder fast schreiend singen. So habe ich es in Erinnerung. Und diese Erinnerung brauche ich eigentlich gar nicht mehr, weil es das Internet-Archiv gibt:


Da muss ich gleich wieder feststellen, dass ich ein Hybrid bin. Denn ich bewege mich inzwischen ohne Erinnerung im Netz. Weiß, wo ich die Dinge finde. Von früher, von morgen und wo ich meinen Bedürfnissen Befriedigung verschaffen kann. Jedoch erinnere ich mich genau so an eine Zeit, in der das nicht ging. In der nicht alles verfügbar war, es sei denn es würde ein Medienarchiv geben haben, zu dem ich Zugang gehabt hätte. 

Das sogenannte lineare Fernsehen und Zeitungen waren die Quelle der Bedürfniserfüllungen und ich nutzte meine Erinnerung. Ich war mehr oder weniger gezwungen sie zu nutzen. Ich habe mir die Dinge und Bilder eingeprägt und konnte sie in meinem Kopf nach belieben aufrufen. Ich kann es jetzt noch. Bei einigen Trickfilmserien schien es mir, als war die Prägung so intensiv, weil ich Nachmittage lang auf die Sendezeit gewartet habe, um dann endlich das erhoffte Intro zu sehen. 

Das ist die eine Seite, die andere: Ich erinnere mich noch gut daran, Dinge zum ersten Mal gesehen zu haben und so begeistert gewesen zu sein, dass ich es unbedingt nochmal sehen wollte. Das ging aber nicht so einfach, wie heute. Ich musste bis zum nächsten Sendetermin warten. Die Begeisterung beim ersten Wahrnehmen von Dingen erlebe ich auch heute noch. Okay, nicht mehr so oft, weil ich mehr kenne und ich manchmal glaube, der Meerespiegel meiner Begeisterung ist gestiegen und hat einige Küstengebiete der Freude unter sich begraben. Aber: es gibt sie noch diese Momente. 

Die Werbeindustrie wusste sich diese Begeisterungsfähigkeit auf jeden Fall zu Nutze zu machen und ich werde jetzt nicht nach Serien im Netz schauen, die ich mir anschauen könnte. Auch da wird ja meist Werbung vorgeschaltet. Vielleicht dient ja der gesamte Kulturbetrieb nur der Verbreitung von Werbung und damit der Förderung des Konsums oder ganz anderer Sachen? 

In meinem Traum wurde mir ganz deutlich klar, dass das Kroko-Doc Spiel dazu dient, Kindern möglichst früh Foltertechniken beizubringen, die sie in einer späteren Karriere im Staatsdienst dann an zu vernehmenden Personen vornehmen können. In diesen Einrichtungen läuft dann die Musik aus der Werbung in Dauerschleife, wenn es mal wieder Zeit wird für ein Verhör.

Dann wurde Tag und es wurde sogar warm und ich wurde wach durch das Geschrei der Vögel.

T.

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