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Völker hört die Signale, also sprach Timm Völker

Hör auf dein Herz, hör auf deinen Magen, hör auf deine Füße und lass' sie dich tragen. Dorthin wo es gut für dich ist. Ich hab mir ne Woche "AUS" genommen, ich bitte um Verzeihung bei all jenen, die eine Abhängigkeit von dieser Schreibe entwickelt haben, so wie ich von Ritualen. 

Was ist passiert? Nichts besonderes. Die völkische Müdigkeit nach zu langem Aufenthalt in verglaster Dunkelheit trat stärker denn je auf. Jetzt bin ich wieder in der Einschienenbahn und tippe munter vor mich her, sehe langsam am Horizont die Insel Caprona auftauchen, die in meinem Zusammenhang mit den Aufnahmen meines neuen Albums (aktueller Arbeitstitel: Knabenmorgen - Blütenträume") zu sehen ist. Wenn ich Caprona an Bord eines deutschen U-Boots des ersten Weltkrieges erreiche, werde ich für einen Moment glücklich an einem Palmenstrand liegen. Bevor ich von einem Dinosaurier gefressen werde und die ganze Insel, auf der die gesamte Evolution des Lebens in einem wiederkehrenden Zyklus entsteht und zerstört wird, untergeht. 

Der Film heisst "Caprona - das vergessene Land" auf englisch: "The land that time forgot". Vor vielen Jahren nahm ihn mir meine Oma auf VHS Kassette. Vor nicht ganz so vielen Jahren sah ich ihn nochmal und war Prä-Youtube geschockt von den archaischen Werbungen für Lenor und Twix und Melitta und Kaffee Hag. Jaja, die Erinnerung, the land that Tim forgot.



Ich bin doch wirklich jemand, der mehr aus der Erinnerung lebt, als an die Zukunft zu denken. Oder wie sagte letztens die Mutter des Kindes zur Hauptfigur in Gaspar Noés Film "LOVE": "Kümmer du dich um deine Vergangenheit, ich regel deine Zukunft."

Ganz netter Satz, dachte ich, aber es wäre auch ein bisschen faul, dass so zu handeln. Oder? Oder ist das eine männliche Angstvorstellung, dass die Frau an seiner Seite seine Zukunft und sein Handeln bestimmt, ihn wieder zum Jungen macht? Der Film war ganz schön aufwühlend. Nicht unbedingt wegen den expliziten Sex-Szenen. Nein. 

Es war die von Anfang an unabänderlich absehbare Eskalation einer Liebesgeschichte, die sich dort abzeichnete. Und wie so oft beim narzistischen Völk, habe ich mich viel zu sehr im Handeln und Erleben der Hauptfigur wiedergefunden. Inklusive einiger erschreckend übereinstimmender Schicksalsdetails, ganz zu schweigen von einem mir sehr nahe stehenden John Frusciante Song und Carpenters "Precinct on district 13" Thema, die für die Untermalung des Films verwendet worden. Ich hab den Film dann nicht zu Ende schauen können. 

Was mir das letzte mal unter einem viel zu flachen Hochbett in einem viel zu kleinen Zimmer beim schauen des Films "Shining" geschah. Damals auch noch auf VHS. Wie das so ist.

Diesen lakonischen Satz habe ich mir zu eigen gemacht. Er kommt aus dem schon öfter erwähnten "Schlachthof Nr. 5" von Kurt Vonnegut. Dessen Protagonist schnappte ihn bei den Außerirdischen auf, die ihn nach Trafalmador entführten und ihm klar machten, dass alles was geschieht, unabänderlich und gleichzeitig stattfindet und damit hinzunehmen ist. In einem angstlosen Sinne. 

Noch kann ich viele Dinge nicht wirklich hinnehmen und habe mir auch nicht mein verfluchtes "ABER" abgewöhnt, dass ich stets vor die Beantwortung einer Frage, die ich mir stelle oder stellvertretend einer Person, die sich erbarmt mir zuzuhören, packe. Anstatt die Frage erstmal zu beantworten oder eine These "im Raum stehen zu lassen" was mich daran erinnert vor dem Verlassen eines Raumes "einen Koffer stehen zu lassen". Einen Furz. Hat Marlene Dietrich über Flatulenzen gesungen in ihrem Song "Ich hab noch einen Koffer in Berlin"?

Mein Gehirn ist ganz konfus und ich beginne gerade Stück für Stück zu ordnen, welche meiner Handlungen aus mir selbst heraus entstand und entsteht und welche substanzindiziert zumindest verstärkt werden. Straßenmäßiger formuliert: welchen Mist, baue ich berauscht und welchen auch nüchtern. Letztlich also: "Wem kann ich die Schuld geben" oder "Wer bin ich und was will ich."

Die alten Fragen eben. 
Und am Ende steht meistens Ich.
Und ein Aber.
Wie das so ist.

T.

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