Die Straßenbahnfahrerinnen und Fahrer in Leipzig werden jünger und attraktiver. Ich sehe sie in ihren Kabinen sitzen, wenn ich auf dem Fußweg parallel zu ihren Schienen gehe. Manchmal sitzen sie zu zweit, einer den anderen einweisend, betreuend. Seltener ist bei den jungen zu sehen, ein Talisman, eine Diddlmaus, ein großäugiges Plüschtier, wie es sie an Tankstellen zu erwerben gibt. Diese baumeln häufig schon mit leicht eingedunkeltem Fell an den Rucksäcken und Taschen älterer Semester. Ihre Jugendlichkeit ergibt sich für mich dadurch, dass sie mir im Alter näher erscheinen. Und plötzlich realisierte ich, nicht sie werden jünger, sondern ich werde älter. Dödödöööööööö (absteigende Tonfolge, dramatisch).
Dieses Jahr fragte ich mich selbst und wurde auch erstmalig gefragt: "Was hast du eigentlich die letzten 10 Jahre getan?". Gelebt könnte ich antworten. Gelebt im Sinne von Atmen, Nahrungsauf- und Abgabe. Ich habe mich viel geärgert, hab getrunken, hab gelacht, meist über niedrigschwellige Witzeleien.
Hauptsächlich bin ich der Idee nachgerannt, ein "Künstler" zu sein, bin in den Wald hinein, hab mich ins Moß gelegt, bin auf Bäume geklettert, hab mich mit den Rehen und den Eulen, Bärinnen und Wölfen unterhalten, das Knacken der Äste unter den Schuhen belauscht, mit den Ameisen getanzt und in der Nacht hatte ich Angst, vor Dingen, die mir am Tage recht freundlich erschienen. Der Weg, der mich aus dem Wald herausführt, ich suche ihn noch.
Vielleicht aber ist die Suche gar nicht ausschlaggebend. Ausschlag gebend ist die Brennnessel. Was ich meine ist: um aus dem Wald hinauszugelangen sollte der Blick nicht verzweifelt nach den blinkenden Lampen der Windräder suchen, die durchs Kieferngeäst leuchten und den Weg zurück in die Zivilisation andeuten.
Denn, wer nur auf das blinkende "Exit-Schild" starrt, bricht sich Herz und Knochen an Wurzeln ab, die er nicht sieht, wenn er stoplernd und schreiend den Ausweg versucht, verzweifelt zu erreichen.
Und er übersieht: Was am Wegrand winkt, liegt oder steht, zeigt ihm die Richtung, wird ihn prägen, sodass er, sofern er den Blick wirklich hebt, gestärkt und aus dem Wald zurück in die Schänke des besseren Lebens einkehrt.
Ich les grad wieder Romantiker und das färbt sich immer schnell auf den Sprachfluss ab. Aber warum nicht auch mal bei den eigenen Ahnen statt Amerikanern nach Nuggets graben, sofern es kein Raubgold ist.
Was ich sonst so dachte: Für all uns Depressive da draußen: rechne niemals mit dem aufbauenden Ertrag eines Treffens, bevor das Treffen wirklich stattfand. Das ist ein Äquivalent zum Klassiker: Plane niemals mit Geld, dass du noch nicht verdient hast. Sagte mir mal ein weiser Chef, als ich als Roadie arbeitete.
"Viva la zwischenmenschlicher Optimierungswahn".
Aber: Sommer ist vorbei und ich hab so etwas wie meinen Sommerhit, dank meinen lieblingslinkskonservativem Blatt, der TAZ entdeckt:
Und das hier ist auch toll, aus dem sehr sehenswerten Film "Silkwood":
TV.
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