Direkt zum Hauptbereich

Ich bin nicht Charlie Manson & 6666 unsichtbare Feinde


Heute ist ein schöner Tag. Denn ich habe meine 6.666 Mail bekommen. Bezieht sich auf ein Festival im Sommer, soviel sei schon mal gesagt. Eben gerade bin ich zurück aus dem Bürger-Mob, der sich in Leipzig gegen die Angstmenschen von Pegida, hier Legida materialisiert hat. 

An sich eine tolle Sache, aber irgendein fahler Nachgeschmack bleibt. Denn bis auf eine Fetzen Deutschlandfahne habe ich nix gesehen, von denen, die da gewesen sein sollten. Polizeiwagen versperrten die Sicht auf das Kap der Angst. So liess sich also nur durch Jubel oder Pfuis Mehrsehender erraten, was gerade geschieht. Im Laufe des Abends werden wohl noch ein paar Informationen zusammenkommen. zum Beispiel sah ich eben schon ein Bild mit ner schönen Reichskriegsflagge zwischen den Braunrotgoldenen.

Aber ich werde mir selbst troi bleiben und rauskrachen lassen, was mir durch den Kopf geht. 

Instant-Buchstabensuppe für immer! 

Also, wo war ich? 

Der Feind ist nicht zu sehen. Okay, ich stand an der falschen Stelle. Das allein ist wohl nicht so wild, allerdings merke ich mehr und mehr und noch mehr, dass das Feindbild verschwimmt. Brauch ich eine Brille? Wohl nicht. Aber wer steht wo, ist eine Frage, dich ich nicht so leicht beantworten kann. Denn, auch wenn ich mich klar auf die Seite der Gegner der Angstmenschen stelle, stieg ich nicht in jeden skandierten Kanon ein. Da fühlte ich mich unter Druck gesetzt und ertappe mich als Fischleich des Neoliberalismus im Meer von Entschlossenen. Ehrlicherweise hab ich gar nix gesagt. 

Es war merkwürdig still, ab einem bestimmten Punkt. Als ob alle auf etwas warten. Warum nur? Um mich herum auf einmal normale Gespräche und Gewische. Ich dachte an extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne, die uns alle verbindet. Direkt vor mir hielt sich ein Polizist an seiner Tränengaspistolette fest. Soll er machen. 

Dann gings weiter, hin und her, Menschen kamen mir entgegen, Menschen gingen meinen Weg. Und am Ende löste sich der Auflauf in Luft auf. Scheint wohl nur real zu sein, wenn ich's im Netz sehe. Auf Fotos. So weit ist es also. Dachte ich mir, mit dem Bier auf dem Band im GutsMuthStrassen-Netto. 

Wo es ist wie immer. 

Und das ist das Unheimliche.

Stranges Land. 

Fremder Timm.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

#412 Atemschrei

Seit 10 Jahren kehrte er das Treppenhaus eines Buchlagers. Ein alter Plattenbau mit Stufen aus glattem Beton und definierten Winkeln und Kanten. Nicht wie die ausgetretenen Holzstufen im Nebengebäude der Tierpathologie, in der er vorher angestellt war. Den Dreck dort aus den Rissen und Fugen herauszubekommen, dauerte Stunden. Aber hier auf dem Beton fühlte es sich an wie ein Tanz, wenn er den Besen in sanften Wellen über den Boden schwang. Auf dem Weg dort hin und zurück kam er jeden Tag an einem kleinen Geschäft vorbei. Lange Zeit war es ein Imbiss, betrieben von einer Frau und einem Mann, die Filterkaffee, Cola in Dosen und zwei Sorten Flaschenbier verkauften. Dazu ganz akzeptable Pommes aus einer in die Jahre gekommen kleinen Fritteuse.  Als er sich entschloss, mit den beiden einmal mehr Worte zu wechseln, als "Eine Cola, bitte."   - "1,20" und "Stimmt so." teilte ihm die Frau mit, dass sie in zwei Wochen endgültig schließen - Rente. Beide hatten bis z...

#411 Lachwald

Die nassen Blätter der Bäume im Wald hängen tief, so tief, dass sich Silvio entscheidet, den Arm zu strecken und sie zu berühren. Eine Entscheidung bewusst treffen, sie in Signale umwandeln, die den Körper eine Handlung vollziehen lassen, geben ihm das Gefühl ein wenig Kontrolle über sein Leben zu haben. Er sieht den Menschen, die ihm entgegenkommen ins Gesicht. Er lächelt sie an. Irgendwann hat er damit aus einer Laune heraus angefangen und jetzt wird er diese Gewohnheit nicht mehr los. Früher, war er dafür bekannt, finster drein zu blicken. Wie oft sagten die Menschen zu ihm: "Lach doch mal." Aber es ist ja klar, dass "Lach doch mal" - das letzte ist, was einen dazu bringt, zu lachen, also wirklich zu lachen oder zu lächeln und nicht nur die Mundwinkel nach oben zu ziehen, bis die Zähne zu sehen sind und man aussieht wie ein perverser Clown.  Eigentlich, und daran erinnert sich Silvio immer wenn er lächelt, ist lachen nur ein evolutionäres Überbleibsel einer Verte...

#410 Bibelfliege

Steve sitzt an seinem Küchentisch. Der Tisch ist aus einem hellen Holz gefertigt, er hatte ihn gebraucht gekauft, einige dunkle Verfärbungen, dort wo schon vor ihm jahrelang Menschen ihre Arme abgelegt hatten. Erst beim Essen und später auch die Köpfe nach langen Trinknächten. Da sind auch Kerben, wo rohes Fleisch und Zwiebeln direkt auf dem Holz geschnitten wurden. Vielleicht sogar, so denkt er sich, hat auf diesem Tisch mal jemand Buchstaben aus einer Zeitung für einen Erpresserbrief mit dem Teppichmesser ausgeschnitten und dabei kleine Kerben hinterlassen.  Er fährt mit seiner Hand über den Tisch. Hinter ihm fällt flaches Sonnenlicht durch das Fenster. Die Blätter der beiden Bäume auf dem Hof verlieren langsam ihr Grün, aber der Wind ist noch nicht stark genug, sie von den Ästen zu reißen. Neben dem Tisch hängt ein Schrank, der zu der ebenfalls gebrauchten Einbauküche gehört, die Steve einer Frau abgekauft hat, die aus ihrer Stadtwohnung aufs Land zog. "Aus gesundheitlichen Gr...