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Boot aus Brot/Drachen aus Blätterteig

Mal wieder unkontrolliert gesoffen - als ob es das in kontrollierter Form für mich gäbe (zynischer Seufzer). Und in mir drin, immer noch ein provokantes Kind. Das heißt, nach meiner Schichttheorie - ist das irgendwo sehr tief drin, die fünfte Schicht von oben gezählt und ist eigentlich ängstlich und darüber kommt dann die Schicht des Heranwachsenden, der irgendwann gemerkt, hat durch dumme verbale Provokationen auffallen zu können. Und dieser Heranwachsende Innenleib, trat für einen ein paar wenige Sekunden langen unkontrollierten Moment zum Vorschein und brachte mir sofortige sehr berechtigte Tadel ein. Ein weiterer Punkt, dass endlich mal sein zu lassen mit dem Saufen und endlich Mönch zu werden, in Einsamkeit zu leben. 

Oder einen eigenen Orden Gründen, so wie ich es noch bei Tageslicht und nüchtern als Herr meiner Sinne erzählte. Einen spirituellen Überbau schaffen, der den Menschen, den zur Zeit in aller Munde befindlichen Verzicht auf unendliches Wachstum, das Fliegen und die Anhäufung weltlicher Dinge schmackhaft macht und ihnen beweist, dass wahre Erfüllung im Inneren entsteht. Damit meine ich nicht unbedingt, eine Fresssekte oder sich mit Leckereien vollzustopfen. Vielmehr: eine Geisteshaltung, Askese, gute Taten. 

Womit wir wieder an dem Punkt wären, dass ich am Morgen nach dem xten letzten Suffabend im üblichen ganz zerbrechlichen Zustand, den Auftrag bekam, ein Portemonnaie an einen Menschen auszuhändigen, welches jener am Vorabend im Laden liegen ließ und in dem sich nichts anderes befand als 900 Euro in bar (in der Bar...). Es wurde über Nacht verwahrt und ich drückte es ihm in die dankbare Hand und dachte: Ist in mir so ein Pendel, das, wenn es zu sehr auf die Seite der guten Taten pendelt durch eine dumme Aktion wieder in die Mitte oder darüber hinaus geschoben werden will? Damit ich wieder neue gute Taten vollbringen kann? Wohl kaum. Die Devise lautet viel mehr: Dummes lassen und gute Dinge machen und nichts dafür erwarten. Weder ein Pendel, noch Dank oder Mönchsehrung oder Finderlohn. 

Jetzt ist ja auch endlich die Sonne da und macht die eben noch schlammigen Böden sehr schnell sehr trocken. Das Klimapendel..Und ich habe den ersten Mückenstich des Jahres - und reibe die Schwellung an der Ringfingerwurzel. Bevor die Sonne auftauchte entstand in meinem Kopf eine Theorie des Misstrauens, in der ich mich fragte, ob man der Sonne glauben und vertrauen sollte, dass sie dort hinter der Wolkendecke trotzdem ihre Arbeit macht, für uns da ist und nicht etwa nur eine Lampe hinstellt (sieht ja keiner) und sich in eine Kneipe verzieht und säuft. Und es deshalb so lange so bewölkt war, weil sie nicht vom Tresen weg kam. 

Aber bevor ich mein Misstrauen noch intensivieren konnte, kam sie ja mit neuen Kräften zurück während ich meine Zeit im Bett verbrachte und in das Blau des Himmels schaute. Ich hörte die Vögel früh am Morgen und am Abend schreien und dachte einen Gedanken, den schon das ängstliche Kind in mir in sich hin und her schob: Tun sie das auch dort, wo Krieg ist und wenn ja, würde schon allein ein singender Vogel, der durch einen blauen Himmel fliegt unter dem eine zerbombte Stadt liegt, also diese widersprüchliche Situation wo Natur und menschliche Grausamkeit aufeinanderprallen, wahrgenommen von einem einzelnen Menschen, der sich dort vielleicht gerade lang schleppt, ausreichen, um eine Energie zu entfachen, die den Krieg für immer aufhören lässt? 

Ich fange schon wieder an zu predigen...und glaube der Sonne und den Vögeln ist ziemlich egal, was die Menschen machen.

TV

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