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Dinge Die Sich Ändern Wenn / I hope I get old, before I die

Ich habe mir überlegt, etwas zu tun. Eine Liste zu machen. Eine Liste von Dingen, die sich verändern. Veränderungen, die ich an mir selbst bemerkt habe. Dinge die sich änderten, als ich das dritte Lebensjahrzehnt betrat. Oder ist es das vierte? Dinge, die sich ändern mit 30. 

Und hier kommt sie:

Ich fange an, Veränderungen zu spüren und das Verlangen diese aufzulisten.
Ich fange an, das Wort "man" zu benutzen, dass ich seit einer Ethikstunde in der 8. Klasse aus meinem Wortschatz verbannt habe, weil ich es für eine Ausflucht hielt, nicht die Verantwortung für eigenes Handeln und eigene Aussagen übernehmen zu müssen.
Ich fange an, intensiver zu schwitzen, in Situationen, in denen ich früher nicht schwitzte.
Und damit ist wirklich fließender Schweiß gemeint. Sowas kannte ich bisher nicht.
Ich bemerke, dass ich mich männlicher fühle. Muskeln spüre.
Ich beginne mir klar zu machen, dass ich etwas für meine Fitness tun muss.
Ich mache mir Sorgen, um meine Gesundheit.
Ich habe angefangen, Sport zu treiben.
Ich jogge.
Ich rede darüber, dass es schön wäre ein kleines Haus zu besitzen.
(Mit 4 Katzen, 6 Zimmern, Klavier, Teppichen und Palmen)
Das habe ich in einem Telefonat mit meiner Mutter festgestellt. Das Haus hat auch ein konkretes Vorbild, welches sich in dem Italo-Horro-Film "The Beyond". In dem Film gehört das Haus einer blinden langhaarigen Frau. Blind möchte ich nicht unbedingt werden, habe aber Angst davor.

Weiter in der Liste:
Wenn ich gefragt werde, ob ich mir vorstellen kann 90 Jahre alt zu werden, entgegne ich nicht mehr, dass ich sicher bald sterben werde, sondern entgegne zumindest: Ich kann nicht ausschließen, dass ich alt werde. (Hope I get old, before I die).

Nochmal aufgegriffen: 
Die Männlichkeit: waren die Zwanziger noch geprägt von Identitätssuche und Unsicherheit im Umgang mit sich selbst, verschob sich in letzter Zeit der Fokus darauf, dass die Gesellschaft beginnt mich anders wahr zu nehmen. Erwachsener. Bin ich es? Männlicher. Bin ich es? Ich hab n paar mehr Haare auf der Brust, sicher und 3 Kilo mehr auf den Rippen. Aber was wird denn jetzt von mir erwartet? 

Das ich kräftiger und sicherer durch die Straßen laufe? Ich versuche nach wie vor, eine gesunde Form der Gleichgültigkeit gegenüber der Erwartung anderer zu entwickeln. Denn sie lenkt mich nur ab von meinen eigenen Vorhaben. Nehmt mich, wie ich bin und verlangt nicht von mir, dass ich eure Erwartungen erfülle. 

Gute Manieren sind nicht teuer. 
Es gibt keinen Grund
Das eigene Handeln einzuschränken. 
Und es gibt keinen Grund
Anderen ihr Verhalten vorzuschreiben.
Der Rebell will sein wie er ist
Dann tut er euch auch nichts.

Nichtsdestotrotz taucht in mir die Frage auf, ob ich mich "naturgegeben" männlicher fühle oder die Gesellschaft mich so formt. 

An Kinder denke ich tatsächlich nicht, eher habe ich nach wie vor Angst vor ihnen oder sagen wir Respekt, sehe sie als meinesgleichen an. 

Ein großer Punkt der Veränderung, vielleicht sogar der größte ist das Einsetzen einer Art von Gelassenheit. Mich regt nicht mehr alles sofort auf. Das ist die eine Seite. Aber wie immer, das Völkische ABER, spüre ich auch, dass mich größere Zusammenhänge in der Welt berühren, dass ich Politiker, Machtmenschen sehe und mich frage: Warum machen die das, warum handeln die so? Geht es ihnen um Macht? Geht es letztlich immer um Macht? 

Mir auch? 

Egal ob in zwischenmenschlichen Beziehungen, der Situation als Sänger auf der Bühne oder auch beim Umtopfen meiner Kräuter, wenn ich dadurch den Lebensraum von Spinnen, Asseln und Tausendfüßlern zerstöre. 

Die konkrete Veränderung besteht darin, dass ich früher Dinge verhandelte, die ausschließlich mich betrafen. Heute beschäftigt mich Ungerechtigkeit auf größeren Ebenen. Ist das nun gut? Ich glaube, die heutige Zeit gibt mir erneut und wie immer die Aufgabe, mich zu positionieren. Zu den Gerechten und Ungerechten Dingen, die mich umgeben. 

Und ich stehe an der Weggabelung, mich in mich zurückzuziehen, das kleine Glück zu finden und, auch das ist eine Veränderung, die ich beobachtet habe, dieses kleine Glück hat seine Verlockungen, die ich früher so nicht kannte oder aber, mich weiter in den Malstrom der Grübelein zu stürzen, den wahnhaften Versuch, die Dinge zur durchdringen, ihnen etwas abzugewinnen, sie zu verstehen. 

Letztlich so zu bleiben, wie ich schon immer war, zweifelnd auf der Suche, der Suche willen. Nur eben mit dem Unterschied, dass ich das jetzt weiß und mit leichter Gelassenheit den Weg weiter gehen kann. Mit staunendem Blick erschrocken und schockiert in Richtung Zukunft. Vor 10 Jahren mit frischen 20 Jahren schien es auszureichen, die Innewohnende Verzweiflung zu artikulieren. Wut kleidet gut, nur wie lange hält sie. Wenn man 10 Jahre verzweifelt ist, könnte man sich ja entweder glaubhaft das Leben nehmen oder zumindest etwas dagegen unternehmen. Ich jedenfalls schabe an einem Entwurf, die Verzweiflung zu überwinden und dem Bild neue Teile hinzuzufügen. 

Ob ich daran zu Grunde gehe, weiß ich bisher noch nicht. Wähle diesen Weg aber, bleibe dabei. Denn es ist nach wie vor einfacher etwas zu töten, als etwas zu erschaffen und am Leben zu erhalten. Und das westliche Leben ist leicht genug, da kann man sich schon mal ein bisschen Quälen.

Vorerst vorletzter und letzter Punkt auf der Liste:

Ich habe mir ein Radio zum Empfangen von Kurz und Langwelle besorgt.
Den Flugfunkverkehr kann ich damit auch hören. Warum? Weil ich Angst vor einem Krieg und dem Zusammenbruch der Zivilisation habe und mit diesem Gerät hoffe, noch irgendwelche Nachrichten empfangen zu können. Wobei da schon wieder die Frage besteht, warum ich auf Nachrichten irgendwelcher Menschen angewiesen sein muss, wenn sowieso alles zusammenbricht. Wohlstandsendzeitfantasie nennt man sowas wohl.

Die Vorzüge von Rasiergel habe ich entdeckt und einen Klingenrasierer in Benutzung.
Glatte Gesichtshaut und so. Wie mit 20.

Endlich.

TV. 



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