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Tuhula Sapap

Irgendwann werde ich ein Musikvideo auf einem Spielplatz drehen. Dieser befindet sich in Halle, (dem neuen Altenburg) und wurde hier auch vor einiger Zeit erwähnt. Langsam komme ich mir recht heimatlich vor, weil ich so oft von meiner Geburtsstadt schreibe, obwohl mir die Heimatliebe doch ziemlich ab geht. Heisst das so? Sei's drum, wenn der Spielplatz cool ist, ist er cool. Er ist schon recht alt und wurde im Stile russischer Folkloristik gestaltet. Schwurbelige Figuren, Betondrachen und Schildkröten und kleine Türme und Rundbauten. Das hat alles gelebt und regte mich dazu an, mal was anderes zu spielen, als Soldat oder sowas. Da war ich ein Ritter oder ein Fuchs. 

Und: dort habe ich im alter von 19 Jahren schaukeln gelernt. Am Tag vor meiner Mathematik-Abiturprüfung. Ich saß dort mit Queen C und wir machten eine Pause von verzweifelten Lernversuchen, Mirky Mirk hatte uns davor Beistand geleistet und mit Hilfe eines Abiturprüfungsbuches, dass ich aus einer Buchhandlung gestohlen hab, probiert, uns das mit den Zahlen näher zu bringen. Zwischendurch wollte er uns mit Kuchen versorgen, aber die Konditorei-Fachverkäuferin, wollte das zusammengekratzte Kleinstgeld nicht. Wir hatten selten Geldscheine in dieser Zeit. 

Jedenfalls saß ich auf diesem  Spielplatz und wackelte wie schon oft in meinem Leben mit den Beinen auf der Schaukel hin und her und plötzlich merkte ich, dass ich in Schwingung geriet. Und diese Schwingung wurde immer heftiger. Nach 19 Jahren gescheiterter Schaukelversuche, checkte ich auf einmal, dass ich lediglich beim Nachvorneschwingen, die Beine etwas früher anwinkeln muss und dadurch nahezu unendlich lang schaukeln kann. PHYSIK! Mathematik. 

Ich hab die Prüfung dann auch bestanden. Gestern allerdings kam der Knaller: JJ teilte mir (auf einer Schaukel sitzend) mit, dass Kinder, die schaukeln, später besser und mit leichterer Hand geometrische Formen wie Kreise und Herzen (ist ein Herz eine geometrische Form?) zeichnen können. Weil das Gehirn beim Schaukeln innen gegen den Schädel schwappt und dadurch besser funktioniert. (Joke). Ich dachte: Na Holla! Sollte mich etwas meine spät errungene Schwingfähigkeit durch die Abiturprüfung gerettet haben? Das ist zumindest eine schöne Vorstellung. Und sich Sachen vorzustellen mag ich. 

Ich hatte ja in meinem letzten Eintrag schon geschrieben, dass mich das Zeitgeschehen etwas stärker mitnimmt oder sagen wir "berührt" als sonst. Weil es so merkwürdig Satir-Real ist. Weil Systematiken offen zu Tage treten, die sonst im verborgenen Lagen. Damit meine ich Macht-Strukturen und Zustände, die jetzt recht offensichtlich durch die Häute der Menschen scheinen, durch die Augen in die anderen hinein. Dies ist die eine Tatsache. 

Die nächste ist allerdings, dass diese Macht-Systematiken jetzt zwar offener da liegen und auch Handlungen und Forderungen, wie zügigeres Abschieben verlangt werden, aber dies alles immer noch "scheinbar" einfach gemacht werden kann. Soll heißen: die Machtzentralen schalten und walten, ohne das ich, also ich als Beispiel eines Staatenbürgers, etwas dazu sagen kann. Naja, sagen schon. Aber ohne, dass ich darauf Einfluss nehmen kann. 

An dieser Stelle frage ich mich: Ist das wirklich so? Will ich das? Soll ich Terrorist werden und den Umsturz herbeirufen? Soll ich Horst Seehofer entführen? Will ich das? In letzter Zeit schreibe ich viele Fragen hier in diesen Blog. 

Vielleicht sollte ich einfach nochmal schaukeln gehen. Bis mir schlecht wird und dann springe ich ab und fliege in den Himmel, lebe von der Hand in den Mund und mach n Selfie mit Papas Aluhut auf dem Kopf. Zum Spass.



Es war nicht alles schlecht mit 16, aber 17 kann besser werden.

Still Sappy,

T.

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