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An sich nicht verwerflich

Soeben schlug ich eine digitale Seite der Sueddeutschen auf und erfreute mich, davon zu lesen, dass der Psychoanalytiker H-J. Maaz in einem TV-Talk zu Wort kam. Ich kenne ihn über Special-K, der ihn mir in Zusammenhang mit dem ostdeutschen Gemüt im Allgemeinen und dem leeren Gestüt meiner Selbst näher brachte. In seinen Thesen geht es vorrangig um Selbstbewusstsein. Er spricht vom Größenklein und Größenselbst, dass auf Grund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Prägung in Ost- und Westgermany dazu geführt hat, wie Menschen sich geben und leben. Ich hatte an dieser Stelle schon öfter darauf hingewiesen, dass auch ich annehme, dass viele sogenannte "Abgehängte" Ost-Welse und Welsinnen, die sich jetzt in den schlammigen Gründen von AFD-Becken sammeln, ihre anerzogene unterdrückte Wut in Kombination mit Hörigkeit und eben nicht zum Ausdruck gebrachter Unzufriedenheit, Luft verschaffen. (Sorry für den langen Satz). 

Ich schliesse mich da nicht aus. So merke ich doch im privaten und halb-privaten immer wieder, wie mich Dinge stören, ich Dinge bemerke, sie aber nicht zum Ausdruck bringe. Abgesehen in der Form von kruden Musikgebilden. In Kombination mit Müdigkeit und Nachtleben führt mich das in ein Chaos und manchmal tanze ich auf Tresen und manchmal werde ich von gestreiften Pullover-Trägerinnen an den Schultern geschüttelt, während ich zu "Kiss" von Prince abwackel und manchmal läuft alles schief, weil ich schweige. Meistens läuft alles schief.

Soll ich mich der AFD zuwenden und mein Heil in steilen Thesen suchen? Bin ich Pitri?



Nein. Mir reichte es, dass ich eine Autobahnreise in einem Fahrzeug unternahm, an dessen Rückspiegel ein AFD Schlüsselband hing. Ich habe es erst bei genauerem hinsehen bemerkt. Ebenso hing an diesem Rückspiegel ein kleines Fläschchen gefüllt mit einer blauen Flüssigkeit. Ob es der geheime AFD-Zaubertrank war oder eine flüssige Blausäurekapsel? Wir fuhren durch die verregnete Tiefebene, ich machte ein paar Fotos von der Feuersonne, von denen ihr eins auf meinem Instagram-Account sehen könnt "Autobahnglitch-Kitsch" Und plötzlich erschien am AFD-Horizont der senkrechte Ansatz eines Regenbogens. Und dieser Regenbogen schob sich dann, zwischen Schlüsselband und Zaubertrank. Ich half ein bisschen nach, in dem ich den Kopf leicht nach links neigte und mochte die Vorstellung, dass der Regenbogen zwar Vergänglich aber vielfarbiger als das Blau des Tranks und Bands ist. Obwohl blau ja eine meiner Lieblingsfarben ist. 

Dann fuhren wir an Halle vorbei und dann war ich Zuhause, inzwischen wieder nicht mehr.

Ich empfehle das Lesen der oben genannten TV-Kritik, schon allein wegen diesem tollen Satz:

"Hans-Joachim Maaz. Ein Psychoanalytiker aus Halle an der Saale, Ex-Chefarzt, 73 Jahre alt. Das ist jetzt an sich nichts Verwerfliches."

Ich vermute mal, dass sich das "nicht verwerflich" auf alles bezieht, ausser "Halle an der Saale".

Passt!

Oder besser:

Passt bloß auf - Saalepower.

TV


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