Es begann im letzten Sommer der Kindergartenzeit. Ich genoss die Privilegien der Ältesten in der Gruppe und durfte den verhassten Mittagsschlaf umgehen und im prachtvollen Garten hinter dem Gebäude in der Mittagssonne verweilen. Der Kindergarten war in einer 3-Stöckigen Villa untergebracht, mit herrschaftlichen Räumen, großen Flügeltüren und vielen Erkern. Holzvertäfelung hier und da und ein mysteriöser Dachboden, auf den wir Kinder nur einmal durften, um von dort aus einen Sternschnuppenhagel bewundern zu können.
Den Anfang nahm in diesen Tagen nicht nur mein Weg Richtung Schule, sondern auch mein dramatisches Verhältnis zu Blockbustern. Denn im Jahr 1993 enterten die Dinos die Leinwände in den noch nach frischem Beton riechenden Multiplex-Kinos meiner Kindheitsgegend.
"Jurassic Park" - ich bekam den Rummel, um den Film mit bzw. das Merchandise-Konzept und fieberte dem Tag des Kinostarts entgegen. An diesem wollte mich mein Vater vorzeitig, vor dem Mittagsschlaf abholen. Er kam auch, teilte mir aber etwas mit, dass meinem Leben eine dramatische Wendung gab. Ich sei zu jung für den Film. Dieser sei erst für Menschen ab 12 erlaubt. Was in meiner damaligen Logik bedeutete, dass ich nochmal genau so lang warten müsste, nein, sogar länger als ich bisher auf dem Planeten verweilt habe, um den Film endlich sehen zu dürfen.
Ich weinte und auch eine Turtles-Figur mit wunderbar echt wirkender Schildkrötengummihaut, die mir mein Vater, als tröstendes Geschenk mitbrachte, vermochte meine Trauer kaum zu verringern. Einzig die Merchandise-Entwickler sprangen vermutlich vor Freude in die Luft, da meine Eltern mir nun trotzdem Jurassic Park-Figuren und Dinos und zusätzlich noch Turtles-Nippes besorgen mussten.
Mein Glück, wenn ich es mal so nennen kann, war aber, dass ich nach einiger Zeit, Freundschaft mit zwei Jungs in meiner Grundschulklasse schloss, deren Eltern es ihnen erlaubten, Filme zu sehen und sogar auf VHS mitzuschneiden, die für unsere zarten Alter noch nicht bestimmt waren. Und so kam ich in den Genuss, Jurassic Park zu sehen, The Rock - Fels der Entscheidung und auch "ES" von Stephen King. Bei allen Filmen gab es Momente, die mich wirklich schockierten. Die klassische Toiletten-Szene bei Jurassic, bei "The Rock", die Szene am Anfang, wo die abtrünnige Elite-Einheit Sarin-Gas klaut und einer von ihnen in der Kammer zurückbleiben muss und von dem versehentlich austretenden Gas, zerätzt und getötet wird und bei "ES" war es eigentlich der ganze Film, der mich schockiert zurück liess.
Am schlimmsten war es jedoch bei "Independence Day". Ich hatte nach dem Film wirklich Angst vor einer Invasion Außerirdischer. Was sollte ich dann noch tun? Das Leben schien sinnlos. An Schlaf war tagelang nicht zu denken.
Rückblickend denke ich, dass die Altersbeschränkungen keine so schlechte Sache sind. Denn mir ging es nach dem Filmkonsum immer nicht so gut und gegebenenfalls wirkte sich das sogar langfristig auf mein Verhalten aus. Dass ich hier darüber schreibe hilft mir.
Und erinnert mich auch an etwas witziges: Mit einem der beiden Schulfreunde, der einen Fernseher in seinem Neubaublock-Zimmer hatte, blieb ich mal richtig lange auf (0:30), weil wir in der Programmzeitschrift den vielversprechenden Serientitel "Sex & The City" lasen. Unsere Jungsfantasien malten sich einiges aus, bei solch einem Titel.
Als wir es dann aber, mit der Hilfe von Cola und Chips bis zum Beginn der Serie ausgehalten haben und die ersten 10 Minuten zwar viel City aber nichts von Sex zu sehen war, schlimmer noch: es wurde nur geredet und wir verstanden die Witze nicht, maulten wir rum und schalteten den Fernseher ab. Ich bin mir gar nicht mal so sicher, ob es das "Sex & The City" war, dass heute bekannt ist. Denn ich erinnere mich noch an eine Szene in einer Bar und Flanellhemden-Träger. Wenn jemand genaueres weiß, her mit den Infos.
Während mein Schulfreund leise schnarchend schlief, betrachtete ich im Dunkeln noch eine Weile die silberblaue Anzeige des VHS-Rekorders, in dessen Maul gierige nach immer neuen bösen VHS-Mitschnitten verlangte.
Bald kommt Teil 2 von "Independence Day".
Diesmal bin ich alt genug und werde ihn mir geben.
TV.
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