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Ware Dunkelheit kommt von innen

Aloha,

Schon letzte Woche hatte ich die grandiose Idee all meine Sachen zu färben und hab das mit leichter Verzögerung in die Tat umsetzen wollen. Leider jedoch hat das Färbemittel zwei meiner Hosen nicht auf die dunkle Seite der Macht ziehen können, sondern nur die innen liegenden Taschen und Säume ins grau gestürzt. Achso, es handelte sich um den Versuch alle Sachen schwarz zu färben. Weil ich mir dachte: Passt zur Jahreszeit und meiner Geisteshaltung und dann passt auch alles zusammen. 

Was soll mir der gescheiterte Versuch also mitteilen? Das ich auf meine Mode nicht achten soll (ich erinnere an dieser Stelle an den Eintrag von vor 2 Wochen als ich mich dem Style-Limbo-Diktat nach kurzer Rebellion unterwarf)? Das wahre Dunkelheit von innen scheint? Am wahrscheinlichsten ist es, dass die Kleidungsstücke zu abgewetzt waren. Das Stand als Hinderungsgrund auf der Verpackung genau so drauf: "zu abgewetzt". Ich dachte immer das wäre ein nur umgangssprachlich benutztes Wort. Es bedeutet wohl so viel, als dass die Fasern abgewetzter Klammotten zu glatt sind und dadurch keine Farbe mehr aufnehmen können. 

Ich trage nur Second-Hand, genau so wie ich Vegetarier bin. Aus Überzeugung. 

Weil ich Angst habe vor dem Strudel des Konsums gegen den ich sowieso schon jeden Tag mehr oder weniger erfolgreich anzukämpfen versuche und weil ich weinen muss, wenn ich auf Tour an einem Viehtransporter vorbeifahre. Abgesehen davon, halten aktuelle Kleidungsstücke nicht sehr lang(wie auch, wenn Kinder dazu gezwungen werden sie zu nähen?), passen mir nicht und sehen grösstenteils nicht nach meinem Geschmack aus(wie auch, wenn Kinder dazu gezwungen werden sie zu nähen?). Ich rede hier selbstverständlich von Stangenware die ohne Liebe und Effet auf den Markt geworfen wird, Analogien dazu finden sich in jedem anderen Segment der Konsumentengesellschaft. Gegen einen neuen Massanzug hätte ich nichts einzuwenden. Gegen ein Gourmet-Schweinebauchfilet allerdings schon. So! 

Ich trage auf dem Gangsterrapfoto vor Sielebenhintergrund ein Shirt der Band Empowerment, die ich mir eigentlich schon ewig ansehen wollte und wieder nicht dazu komme. Sie sind gerade auf Tour! Deshalb hab ich mir das Shirt gekauft. Selbstverständlich neu, denn wer hält sich schon an seine eigenen Vorsätze? 

Am Samstag habe ich aber Warm Graves in einem kleinen Kellerladen hier in Leipzig gesehen und mich gefreut, dass ich an I'm on fire denken musste, während sie ihre ziemlich coole Drone-Musik aussendeten. Der Drummer hat effektive Toms, die mich böllergleich in anregenden Abständen aus dem Soundteppichtaumel von Orgel und Gitarre herausriefen. 

Am Freitag wollte ich Trümmer sehen, war aber zu spät, weil der Club so nah an meiner Bleibe lag und ich noch an einem Song namens "Ganz Genau" schrieb, in den sich spontan Cthulhu eingeschlichen hat. Da fällt mir ein, dass der Regisseur von Pan's Labyrinth, er heisst Guilermo del Torro, oder? Der will schon seit Jahren "Berge Des Wahnsinns" verfilmen, kriegt es aber irgendwie nicht gebacken. Ich würde mich sehr darüber freuen, denn bisher gibt es meist nur sehr trashige H. P. Lovecraft-Verfilmungen, abgesehen von Mächte des Wahnsinns von Carpenter. 

Vom Trümmerkonzert habe ich wie erwähnt nur die Zugabe mitbekommen und habe dann den Rest des Abends damit verbracht irritert von der akustischen Präparierung der Räumlichkeiten, eben diese zu durchschreiten. Irritiert war ich, weil die Grösse der Räume nicht dem nicht vorhandenen Nachhall entsprach. Oder simpler augedrückt: Wer wäre nicht verwirrt, wenn er in einer Lagerhalle stehen würde und es sich akustisch anfühlt wie im Schuppen hinterm Haus? Aber die Trümmer-Crew kam damit klar und konnte ungehindert feiern und rrrrrrrrrrrrrrocken. 

Abschliessend noch eine fremdartige Selbstbeobachtung:

Wenn ich mit den Füssen wackle, wenn diese in Schuhen stecken, stelle ich mir vor, meine Füsse wären Forellen geworden. Doch wie könnte ich mit Forellen gehen oder rennen? Ich werd euch gerne darüber aufklären nächste Woche auf der Solo-Tour.

Fischige Grüsse, Timm.

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