Wenn man es einmal gesehen hat, fällt es einem überall auf: Menschen, die sich voneinander verabschieden und in Fahrzeuge einsteigen. Sie stehen noch kurz beieinander, Gesten der Umarmung oder geschüttelte Hände. Die, die den Ort verlassen, steigen ins Auto, aufs Fahrrad, Schiff oder in den Zug und entfernen sich, hupen noch einmal oder heben die Hand zur Geste des Winkens. Und auch die bleibende Person winkt. Das Winken - ein Zeichen, eine Markierung, ein "ich bin hier". Die Hand wird zu einer Fahne, ist schon immer der Ersatz für die, die sich keine echte Fahne leisten konnten. Und so bewegen sich der Arm als Stange und die Hand als flatternder Stoff hin und her, als flatterte sie im Wind. So lange, bis die Erdkrümmung oder die nächste Straßenecke dafür, dass man sich gegenseitig nicht mehr sieht.
Bis zu diesem Zeitpunkt zeigt man an sichtbar zu sein, beweist dem anderen seine Existenz in der seinen und versichert sich auch selbst, dass man "ist" und zueinander gehört. In früheren Zeiten diente der zurückbleibende Mensch sogar als Orientierungspunkt für den, der ging. Bis am Horizont eine neuer auftauchte, der den Arm schwenkte und so deutlich machte, wo das Ziel war. Im besten Fall sogar das Wunschziel. Im schlechteren verwandelte sich beim Näherkommen die freundlichen Silhouette mit dem bekannten Gesicht in eine wütende Fratze mit wild fuchtelnden Armen.
Aber diese Zeiten sind vorbei - heute und im urbanen Leben ist winken eine rein symbolische Geste, die auch etwas trauriges in sich trägt, wie ich finde. Denn wenn die, die sich entfernen in ihr Fahrzeug steigen und die, die bleiben hinter ihnen zurückbleiben, sehen sie doch meist das Winken gar nicht mehr. Und so wird es vor allem für den, der bleibt zu einer Geste der Selbstversicherung, alles getan zu haben, in guter Erinnerung zu bleiben und nicht vergessen zu werden.
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