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Aufhören - Welcome Back

"Welcome Baaack" sagt die herunter gepitchte Stimme am Ende des Intros von "Hell Awaits" auf der "Decade Of Aggression" Live Doppel CD von Slayer, die ich damals im Müller in Halle kaufte. Für mich das beste Intro, dann zwei Hihat-Einzähler und ein Tomfill von Dave Lombardo (fast auch das beste für mich an Slayer: Dave Lombardos gerechte Hihat) und der Song geht langsam los...naja, eigentlich geht das Intro noch ca. 3 Minuten weiter...ehemalige Mitschülerinnen berichteten mir vor einiger Zeit, wie ich mich auf einer Klassenfahrt zu diesem Song am Boden wälzte, während die anderen "Kinder" in einem Kreis um mich standen und okkulte Gesten ausführten. 

Das Wälzen entdeckte ich auch letzte Woche auf einem eigenen Konzert für mich wieder. Während einer Blues-Mörder-Ballade fing ich an über den Boden zu kriechen. Es hat sich also nicht viel verändert in der Zeit zwischen 13 und 33...okkult-religiöse Gesten zeigen Wirkung und bemächtigen sich der ausführenden Person. So sprach ich mit Lord S nach besagtem Konzert genau darüber: Auch wenn die Geste erstmal nicht komplett ernst gemeint ist, verfehlt sie nicht ihre Wirkung. Und damit meine ich nicht die auf die Zuschauer (Kinder auf Klassenfahrt-Disko oder Sommerfest-Besucher mit Kindern) sondern die auf mich, in diesem Falle. Ich hab damit einfach angefangen ohne drüber nachzudenken und spüre doch jedesmal eine befreiende spirituelle Wirkung und sei es nur das durch stressbedingte Kopfschmerzen während eines Schreies auf den Knien, die Schädeldecke lüftet und alle Dämonen pulsierend heraus strömen...well well...

Ich titelte "Aufhören" und Aufhören hat viele Formen. Ich fange an dieser Stelle mit Konsum an. Konsum im klassischen Sinne: Warenkonsum. Im Verlauf der letzten 12 Monate habe ich mehr weltliche Dinge angesammelt, als je zuvor. Sogenannte "sinnvolle Investitionen" die ich als "Musiker" zu brauchen glaube. Rising Reißig sagte mal zu mir: "Das ist doch kein Konsum, das sind Werkzeuge, die du für deine Arbeit brauchst." Womit für mich die Tore offen waren, hemmungslos (im Rahmen des Möglichen zu konsumieren)...aber schon bald entdeckte ich zwei Tücken. 

Die erste: Wenn ich dann das hatte, was ich wollte, wollte ich bald schon etwas neues...weltliche Dinge befriedigen nicht dauerhaft den Drang nach innerer Erfüllung. 

Die zweite: Ich hatte, wie jede und jeder ab und zu mal heftige Existenzängste bis Todesängste und im Nachhinein stelle ich fest, das der Erwerb von weltlichen Dingen auch dazu dienen kann, sich die Welt eigen zu machen, sie um sich herum in Form von Besitz anzuhäufen, mit dem fehlerhaften Vorstellung, dass ich mich dann an diesen Dingen festhalten und in der Welt halten könne wenn Freund Hein an die Tür klopft...ich kann euch sagen: das funktioniert so nicht. 

Was funktioniert: Für andere da sein, helfen ohne Gegenleistung. Nicht mal Ehrenamt, einfach nur den Motorradfahrer, der grad von einem Auto umgefahren wurde nach seinem Befinden fragen und die Polizei am Telefon darauf hinweisen, dass entzündliche Kraftstoffe aus dem Tank des Motorrads auf die Straße fließt bei über 30 Grad, einen Mauersegler mit einem Handtuch aus der Turnhalle tragen oder ein überdrehtes Kind für sein Rumzappeln loben und es einen zukünftigen Sachbeschädiger nennen. 

Ob mein verfettetes Herz dann trotzdem leicht genug ist, wenn ich den Styx überquert habe und Kerberos mit Honigkuchen besteche WIRD SICH ZEIGEN. Ich möchte jedenfalls den Konsum wieder etwas herunterschrauben, denn ich glaube jetzt zu haben, was ich brauche. Und hier gibts jetzt wieder jeden Montag was zu lesen.

Also: "Go shop' or die tryin'"

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